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  • thewisemansfear 1:36 pm am June 19, 2014 Permalink
    Tags: , , International Energy Agency, , Wachstum,   

    Der Ölpreis balanciert auf Messers Schneide 

    Beim heutigen Beitrag geht es um den Schmierstoff moderner (Volks-)Wirtschaften schlechthin – das Öl. In einem Fass (159l) steckt ein Energiegehalt von 5,88 GigaJoule, im Vergleich dazu verbraucht ein Mensch pro Tag in etwa 8,5 MegaJoule (ca. 2.000kcal). Aber um die menschliche Ernährung geht es bei dem Stoff nur sekundär, vielmehr um seine Rolle als „low-entropy“ Energiequelle. Wenn man sich vor Augen hält, dass man für diese Energie mal weniger als eine Handvoll Dollar hinblättern brauchte, dann wirkt das fast schon grotesk. Wie bei allem in der Welt gilt: ist im Überfluss davon da, besitzt es keinen monetären/zählbaren Wert. Erst mit einer Verknappung bildet sich dieser heraus.

    Nach Angaben der International Energy Agency (IEA) sind 2011 weltweit knapp 89 Millionen Fass Rohöl pro Tag verbraucht worden. Die Peak-Oil Debatte existiert nicht erst seit gestern, man ist sich letztlich uneins, wie lange noch auf diesem Niveau weiter gefördert werden kann oder ob wir bereits das Fördermaximum überschritten hätten. Wer sich unbedarft mit der Diskussion auseinandersetzt, könnte schnell versucht sein, mit den Schultern zu zucken und dem „Problem“ keine große Relevanz beimessen, da Peak bedeuten würde, es wäre ungefähr nochmal so viel Öl vorhanden. Pustekuchen. Der Zusammenhang ist nicht so trivial.

    Es gibt unterschiedliche Arten von Ölvorkommen

    1. crude oil (Rohöl), höchste Konzentration, sehr leicht zu extrahieren
    2. offshore oil (aus dem Meer gewonnenes Rohöl), ebenfalls hohe Konzentration, der Extraktionsaufwand nimmt zu (Bohrinseln)
    3. tar sands (in Teersanden gebundenes Öl), niedrigere Konzentration, höherer Aufwand zur Extraktion (Trennung mittels Chemie)
    4. shale oil (in Schiefergestein gebundenes Öl), im Vergleich die niedrigste Konzentration, erneut höherer Förderaufwand + Nutzbarmachung

    Mit jeder dieser Stufen nimmt der Extraktionsaufwand zu. D.h. es steigen sowohl monetäre Kosten als auch energetischer Aufwand. Das Verhältnis von aufgewendeter zu gewonnener Energie sinkt, die Förderung wird zunehmend unökonomisch. Spätestens wenn man in Bereiche kommt, wo man kaum noch mehr „hinten raus“ bekommt, als von „vorne rein“ steckt, wird man von einer weiteren Förderung absehen. An dieser Stelle sollte klar werden, dass wir kein Problem ausgehender Rohstoffe haben, sondern dass ab einem Zeitpunkt X der weitere Abbau wegen schwindender Erträge (diminishing returns) nicht mehr lohnt. Der Rest an Rohstoffen verbleibt dann einfach ungenutzt in der Erde (siehe Quelle im Bild oben). Wichtig zu verstehen ist, dass sich diese Problematik auf so ziemlich alle mineralischen Abbauprodukte übertragen lässt, keinesfalls nur auf Öl begrenzt ist.

    Das Dilemma um die Höhe des Preises

    Der Preismechanismus soll ja nach Marktlogik® genau das gewährleisten: abschätzen zu können, wann sich etwas lohnt, bzw. nicht (mehr) lohnt. Der Ölpreis muss demnach steigen, damit die Erschließung der Vorkommen niedrigerer Konzentration weitergehen kann – andernfalls lohnt es nicht weiter. Die Kehrseite der Medaille ist die, dass sich höhere Energiepreise negativ auf das Wirtschaftswachstum® auswirken. Höhere Aufwendungen für Strom/Heizung/etc. verringern direkt das verfügbare Haushaltseinkommen für Konsum™. Das ist den Verantwortlichen nur allzu bewusst, sonst würden Forderungen nach „bezahlbarer Energie(wende)“ nicht so vehement von Politikern und Industrievertretern vertreten. Hier beißt sich die Katze allerdings in den Schwanz, denn ohne dass Energie teurer wird, erreicht man früher den Zeitpunkt, an dem die weitere Förderung nicht mehr rentabel durchzuführen ist. Das System steuert an dieser Stelle auf eine nicht zu überwindende Grenze zu.

    Zusammenhang von Energiepreis und Wirtschaftswachstum, Quelle: http://ourfiniteworld.com/2014/05/21/the-connection-between-oil-prices-debt-levels-and-interest-rates/  (Fig. 8)

    Zusammenhang von Energiepreis und Wirtschaftswachstum, Quelle: http://ourfiniteworld.com/2014/05/21/the-connection-between-oil-prices-debt-levels-and-interest-rates/ (Fig. 8)

    Dieser empirische Beleg ist kein Nachweis kausaler Zusammenhänge. Man sieht jedoch gut, wie sich Öl- und Energiepreise relativ im Gleichtakt mit der Wirtschaftsentwicklung bewegen. Das führt uns direkt zum nächsten Schaubild, auf dem die Ausgaben/Aufwendungen (capital expenditures – capex) einiger der führenden Öl-/Energiemultis (entsprechen ca. 1/3 des Weltmarktes) aufgelistet sind:

    Während der letzten 10 Jahre sind diese kontinuierlich auf das Fünffache gestiegen. Im selben Zeitraum ist die absolute Ölfördermenge auf dem selben (hohen) Niveau verharrt. Das trägt den oben genannten Zusammenhängen Rechnung, dass die Erschließung weiterer, weniger effizient auszubeutender Quellen nicht ohne monetären Mehraufwand vonstatten geht. Wichtig ist der Forecast, der bestenfalls stagniert oder nach einigen Prognosen sogar wieder sinken soll. Ein weiteres Zeichen, dass Aufwand/Nutzen für die Unternehmen in einem zunehmend ungünstigeren Verhältnis stehen.

    Der Tanz auf Messers Schneide

    Niemand kann konkret vorhersagen, welche Auswirkungen eine neuere wirtschaftliche Schwächephase für Auswirkungen haben wird. In der Weltpolitik sprießen die Konfliktherde geradezu wie Pilze aus dem Boden. Was für Auswirkungen ein neuerlicher Schock durch Platzen der nächsten Finanzmarkt-Blase hätte, lässt sich allenfalls erahnen. Dass der Ölpreis dadurch unter Druck gerät, steht außer Frage. Damit würden u.U. sofort weitere Investitionen bei der Förderung auf Eis gelegt, was sich mittel- und langfristig auf die globale Wirtschaft und damit jeden von uns auswirken wird. Ein Zurückkehren auf das alte Niveau würde wahrscheinlich Jahre dauern. So lange, bis sich der Preis wieder „erholt“ hätte und die Investitionen nachgeholt werden könnten. Unter Umständen wird das bisherige Niveau aber auch gar nicht mehr erreicht werden können.

    Von verantwortungsvoller Politik (und deren Beratern) würde man erwarten, dass solcherlei Abhängigkeiten erkannt werden und man versucht, diese zu beseitigen. Wachstum in Form eines immer höher wachsenden tumbling-towers kann niemand ernsthaft wollen. Leider ist es so, dass Wachstum® längst zum nicht mehr hinterfragten Selbstzweck verkommen ist. Die Gründe dafür werden im kommenden Beitrag beleuchtet.

     

     

     

     
  • thewisemansfear 2:21 pm am June 17, 2014 Permalink
    Tags: Ökosystem, , Energiewende, , Wachstum   

    Hintergrundwissen zum Thema Energie: Entropie und Exergie 

    Um die Probleme rund um Energieversorgung / Energiewende und damit zusammenhängend des Wachstums™ verstehen zu können, muss man sich mit den physikalischen Grundlagen beschäftigen. Naturwissenschaftler sollten mit dem Konzept von Entropie vertraut sein, für diese ist der Beitrag nur als Auffrischung zu verstehen.

    Um uns den Begriffen Entropie und Exergie zu nähern, schauen wir uns die zwei Hauptsätze der Thermodynamik an. Keine Sorge, die sind nur Mittel zum Zweck 🙂

    Von Energie wissen wir – entgegen des landläufigen Sprachgebrauchs – dass sie sich nicht „verbraucht“, sondern nur umgewandelt wird, z.B. in mechanische Arbeit und Wärme. Nichts anderes besagt der sog. Energieerhaltungssatz (1. Hauptsatz der Thermodynamik). Nutzbar machen in Form (elektro-mechanischer) Arbeit lässt sich Energie jedoch nur unter Ausnutzung einer Potentialdifferenz. Die riesige in den Weltmeeren gespeicherte Energie (in Form von Wärme und potentieller Energie) lässt sich nicht nutzbar machen, da sie bei Umgebungstemperatur und auf Höhe Normalnull vorliegt. Wasser fließt nun mal nur den Berg herunter und spontan wird es auch nicht wärmer werden. Das ist im Prinzip schon die Kernaussage des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik. Wichtig ist für uns an dieser Stelle, dass es bei der jeweils auftretenden Form von Energie auf die Arbeitsfähigkeit ankommt. Der Zusammenhang verbildlicht sich wie folgt:

    Zusammenhang von Energie, Exergie und Entropie

    Zusammenhang von Energie, Exergie und Entropie

    Die Grafik stammt aus diesem lesenswerten Beitrag, der noch weiter ins Detail bezüglich Exergie geht. Exergie ist sozusagen die Maßzahl der für Arbeit nutzbare Energie. Diese schwindet bei der Umsetzung, im selben Maße nimmt die Entropie zu. Entropie ist in diesem Zusammenhang ein Maß für nicht mehr nutzbare Energie. Irgendwann ist alles Wasser den Berg herunter geflossen, alles auf Umgebungstemperatur abgekühlt, etc. Ein Beispiel aus dem Beitrag soll das verdeutlichen:

    Eine Autobatterie mit 12V, 2,3Ah hat denselben Energiegehalt wie 1kg Wasser der Temperatur von 43°C, nämlich 100kJ. Das Wasser können wir bestenfalls zum Händewaschen oder Abspülen benutzen, während wir die in der Batterie gespeicherte Energie wesentlich besser nutzbar machen können.

    Oft wird Entropie auch als Maß für (Un-)Ordnung (engl. order) eines Systems benutzt. Zur Veranschaulichung dient das folgende Bild:

    Ohne zusätzliche Energie wird man die beiden Flüssigkeiten nicht wieder wie links zu sehen trennen können. Ohne zusätzlichen Aufwand wird auch die Unordnung auf dem Schreibtisch oder im Kinderspielzimmer nicht wieder abnehmen 😉
    Gut veranschaulichen lässt sie sich auch als „Zahn der Zeit“, der überall nagt. Alterung/Zerfall ist nichts anderes, als das Bestreben aller Dinge, einen energetisch niedrigeren Zustand zu erreichen. Die Flussrichtung ist in einem geschlossenen System (welches ich für die Ausführungen zum 2. HS d. T.-Dyn. vorausgesetzt habe) jeweils nur von höherem zu niedrigerem Niveau möglich.

    Der Zahn der Zeit.

    Der Zahn der Zeit.

     

    Wie kommt nun Leben in die Bude und vor allem, wie wird dieser Zustand dauerhaft erhalten? Ganz einfach, dies erfordert einen ständigen Zustrom von freier „low-entropy“ Energie von außerhalb. Diese bekommt unser Planet seit ein paar Jahrmilliarden kostenfrei von der Sonne zur Verfügung gestellt. Daraus hat sich ein richtig gehender Bioreaktor entwickelt:

    ENERGY MOVEMENT IN ECOSYSTEMS (Energiefluss in Ökosystemen)

    Energy moves through TROPHIC LEVELS
    Producers – take in energy by photosynthesis, produce biomass
    CO2 + H2O + light  ->   sugar + O2
    ex: plants (Pflanzen)
    Consumers – organisms that eat other organisms (live or recently dead)
    herbivores eat plants (deer, squirrel)
    carnivores eat animals (fox, bobcat)
    omnivores eat both (turkey) (+Menschen)
    Decomposers – organism that eat dead material (Verwertung durch Zersetzung, es entsteht die Nährstoffgrundlage für die Produzenten/Pflanzen)
    ex: fungi, bacteria, some insects (ants, termites)

    Jede einzelne Station benötigt für sie nutzbare Energie (Exergie), um zu funktionieren. Ebenso entstehen bei der Umwandlung jeweils Verluste, meist in Form von Abwärme. Ohne die Sonne als externer „low-entropy“ Energiequelle käme dieser Kreislauf recht schnell zum Erliegen bzw. erst gar nicht in Gang. Man halte sich nur vor Augen, dass Menschen und sonstige Lebewesen ihre komplette Zellstruktur innerhalb eines bestimmten Zeitraums erneuern, all das ist nur mit „frischer“ Energie möglich. Bei Pflanzen läuft dieser Prozess erheblich schneller ab. Ohne Licht und Wärme ist teilweise innerhalb von Stunden Ende im Gelände. Bedeutsam ist, dass sich lediglich der Zeitraum unterscheidet, wie lange die Lebenserhaltung ohne Zuführung neuer Energie aufrecht erhalten werden kann.

    Vergleich von offenem und geschlossenen System

    Vergleich von offenem und geschlossenen System

    Natürlich steht uns nicht nur die Sonne als Energieträger zur Verfügung. Die Verbrennung von Holz als nachwachsendem Rohstoff kann zur Wärmegewinnung (Kochen, Heizung, etc.) genutzt werden. Ebenso wie Kohle, Öl und Gas als fossile Energieträger mit ungleich höherer Energiedichte zum Einsatz kommen. Nicht vernachlässigt werden sollte jedoch, dass auch diese Erscheinungsformen ohne Sonneneinstrahlung nicht entstanden wären. Der Entstehungszeitraum lässt sich als Mensch nur schwer begreifbar machen. Wir leben im Hier und Jetzt und freuen uns über die Segnungen der Vergangenheit. Oder etwa nicht? Kernspaltung und -fusion stellen ebenfalls Möglichkeiten zur Nutzbarmachung von Energie dar.

    Im nächsten Beitrag werde ich den sich bereits andeutenden Bogen zum Thema Wirtschaftswachstum schlagen und beleuchten, was es mit nachhaltigem Wachstum™ auf sich hat.

     

     

     
  • thewisemansfear 11:49 am am April 16, 2014 Permalink
    Tags: , Geschichte, , Krieg, Trotzki, Wachstum, Wachstumszwang   

    Aus der Geschichte lernen 

    Es ist schon erstaunlich, was für Parallelen sich auftun, wenn man einen Blick zurück in die Vergangenheit wirft. Sehr ähnliche Probleme wie heute, nur mittlerweile auf einem anderen, höheren Level. Es stellt sich die Frage, ob es nicht die alle paar Jahrzehnte aufflackernden Kriege waren, durch deren Zerstörung des vormals Geschaffenen und dem anschließenden Wiederaufbau das „ganze System“ weiter betrieben werden konnte. Technischer Fortschritt allein reicht bei weitem nicht aus. Wer Schumpeters „schöpferische Zerstörung“ verstanden hat, weiß, dass alte Strukturen Neuerungen platz machen und weichen mussten. Ein Krieg ist dabei die schnellste aber zugleich meistverschwenderische Variante. Sowohl an materiellen Ressourcen als auch an Humanressource (zynisch gesprochen)… Es wird wirklich Zeit, das System insoweit zu reformieren, dass der (exponentielle) Wachstumszwang eliminiert wird. Kooperation statt Egoismus zu propagieren wäre ein Anfang.

    Im Gründungsdokument der Vierten Internationale, das nur ein Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges geschrieben wurde, zeichnete Trotzki ein präzises und schonungslos genaues Bild des Zustandes des Weltkapitalismus:

    „Die Produktivkräfte der Menschheit haben aufgehört zu wachsen. Neue Erfindungen und technische Neuerungen vermögen bereits nicht mehr zu einer Hebung des materiellen Wohlstands beizutragen. Unter den Bedingungen der sozialen Krise des gesamten kapitalistischen Systems bürden Konjunkturkrisen den Massen immer größere Entbehrungen und Leiden auf. Die wachsende Arbeitslosigkeit vertieft wiederum die staatliche Finanzkrise und unterhöhlt die zerrütteten Währungen. Demokratische wie faschistische Regierungen taumeln von einem Bankrott in den anderen.

    Die Bourgeoisie sieht selbst keinen Ausweg. In den Ländern, wo sie bereits gezwungen war, den Faschismus als ihre letzte Karte auszuspielen, schlittert sie mit geschlossenen Augen in eine wirtschaftliche und militärische Katastrophe. In den historisch privilegierten Ländern, d. h. jenen, wo sie sich auf Kosten des zuvor angesammelten nationalen Reichtums noch eine Zeitlang den Luxus der Demokratie leisten kann (Großbritannien, Frankreich, Vereinigte Staaten usw.), befinden sich alle traditionellen Parteien des Kapitals in einem Zustand der Ratlosigkeit, der an Willenslähmung grenzt. …

    Die internationalen Beziehungen bieten kein besseres Bild. Unter dem wachsenden Druck des kapitalistischen Niedergangs haben die kapitalistischen Gegensätze die Grenze erreicht, jenseits derer die einzelnen Zusammenstöße und blutigen lokalen Unruhen (Äthiopien, Spanien, Ferner Osten, Mitteleuropa) unausweichlich in einen Weltbrand umschlagen müssen. Die Bourgeoisie ist sich selbstverständlich der tödlichen Gefahr bewusst, die ein neuer Krieg für ihre Herrschaft bedeutet. Aber diese Klasse ist heute noch unendlich weniger imstande, den Krieg abzuwenden, als am Vorabend von 1914.“

    Trotzki ließ seiner Beschreibung der Krise des Weltkapitalismus eine Warnung folgen: “Ohne eine sozialistische Revolution, und zwar in der nächsten geschichtlichen Periode, droht der gesamten menschlichen Kultur eine Katastrophe.“  aus http://www.wsws.org/de/articles/2014/04/15/pers-a15.html zitiert.

     
    • GeorgT 2:20 am am April 19, 2014 Permalink | Antworten

      Wie es um die Lernfaehigkeit der Menschen ueber Zeitraume, die mehrere Generationen betreffen, bestellt ist, zeigt auch dieses Zitat aus dem Ahlener Programm der CDU von 1947:

      „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.

      Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.“

      – CDU: Ahlener Programm 1947

      http://de.wikipedia.org/wiki/Ahlener_Programm

  • thewisemansfear 12:38 pm am December 27, 2013 Permalink
    Tags: Nachdenkseiten, Wachstum,   

    Was ist nachhaltiges Wachstum? 

    Ulrike Herrmann hat in ihrem Buch „Der Sieg des Kapitals“ den entscheidenden Widerspruch in der herrschenden Wirtschafts-Wachstumslogik aufgezeigt: die Unverträglichkeit exponentiellen Wachstums in der aktuellen Realwirtschaft. So schreibt sie als generelle Kritik formuliert:

    Die treibende Kraft in diesem System ist die Idee, dass man Geld investiert, damit hinterher mehr Geld herauskommt. Wenn dies kein Schneeballsystem sein soll, bei dem sich das Vermögen nur auf dem Papier vermehrt, dann muss gleichzeitig die Gütermenge steigen. Reales Wachstum kann es jedoch nur durch technischen Fortschritt geben, was umgekehrt bedeutet: Ohne technischen Fortschritt ist der Kapitalismus am Ende.“ (s.o., S. 83)

    Man muss daher in der Debatte zwischen virtuellem und realem Wachstum differenzieren. Zu ersterem gehört die Asset-Inflation (z.B. bei Häusern und Grundstücken, Aktien auf dem Sekundärmarkt, etc. Dies sind reine Transaktionen, ein Mehrwert kommt nur durch den Glauben an eine weitere positive Gesamtentwicklung zustande.), zu letzterem ein fassbares, messbares Mehr an Gütern. Genau das ist aber auf Grund der Endlichkeit der Ressourcen bzw. der auf der Erde verfügbaren/nutzbaren Energie nur begrenzt möglich! Werner Lieb von den Nachdenkseiten hat in seiner Rezension des Buches die aus seiner Sicht pauschalisierende Wachstumskritik bemängelt:

    Wenn eine bestimmte Größe in der Zeit um einen bestimmten Prozentsatz wächst, bekommt man eine Exponentialfunktion, eine Kurve, die im Himmel endet. Das ist mathematisch unausweichlich und scheint vielleicht deshalb auf den ersten Blick für Viele als so zwingend.

    Ja, es scheint nicht nur zwingend, sondern es ist logisch zwingend. Nirgendwo in der Natur gibt es Entsprechungen für stabiles, exponentielles Wachstum – allein die beiden Attribute stabil und exponentiell zusammen sind paradox. Beispiele für Effekte mit Exponentialfunktion:

    • eine typische Rückkopplung beim Konzert, wenn das Mikro die Signale aus den Lautsprechern wieder einfängt und erneut verstärkt. Das schaukelt sich in Sekundenbruchteilen zu einem schrillen, ohrenbetäubendem „Ton“ hoch. Hierbei geht wohlgemerkt das Verstärkersystem in die Begrenzung (so welche eingebaut sind), ansonsten würde das schwächste Glied der Kette schnell „nachgeben“ – es wäre wieder Ruhe und das System im Eimer.
    • auf biologischer Ebene können Bakterienpopulationen mit ausreichend Nährstoffen (Energie) ein solches Wachstum hinlegen, ansonsten findet man solches Verhalten bei Tumoren, wobei auch hier das Wachstum zu einem abrupten Ende kommt, sobald die Energiezufuhr nicht mehr ausreicht.

    Uns Menschen fehlt es dazu auch an Vorstellungsvermögen, man lausche den Ausführungen von Margot Kennedy. Sinngemäß sagt sie, dass es zur grundlegenden Schulbildung gehören sollte, dass exponentielles Wachstum im materiellen Bereich nie von Dauer sein kann. Der Mensch als anpassungsfähiges Wesen hat sich mittlerweile schlicht an „immerwährendes Wachstum“ gewöhnt. Seit der Nachkriegszeit geht es beständig (mit kurzen Aussetzern, die allerdings in immer kürzerer Abfolge auftreten!) nur in eine Richtung. Wir nehmen die Welt und das Geschehen um uns herum als Normalität wahr (der Mensch als „Gewohnheitstier“), kein Wunder, dass man mit der Info, dass es so wie bisher nicht weiter gehen kann, keine offenen Türen einrennt.

    Woran machen wir Wirtschaftswachstum überhaupt fest? Wir erfassen alle getätigten Transaktionen, bilden quasi den Umsatz der nationalen Wirtschaft im Bruttoinlandsprodukt (BIP) ab. Eine einzige Kenngröße, die von Bedeutung sein soll, ob es uns nun „besser geht“ (wachsend) oder nicht (stagnierend oder fallend). Im Aufaddieren von wirtschaftlichen Tätigkeiten wird in keinster Weise zwischen guten und schlechten Dingen differenziert. Kosten zur Beseitigung von Umweltschäden oder Unfällen aller Art schlagen sich positiv in dieser Kennzahl nieder. Alles, was in irgendeiner Form Umsatz bringt ist „gut“, der Rest an freiwilligen Tätigkeiten, sozialen Engagements, usw. spielt keine Rolle. Die Fixierung auf BIP-Wachstum ist vollkommen untauglich, um diesem ganzen Treiben einen Sinn zu geben.

    Nun ist es so, dass bereits zum Aufrechterhalten einer einmal geschaffenen Systems („Ordnung“) Energie aufgewandt werden muss. Die dazu notwendige Energie nimmt mit der Komplexität des Systems zu. Wir kennen das am verlotternden Schreibtisch des chaotischen Arbeitskollegen oder dem Kinderspielzimmer. Um Ordnung ins Chaos zu bringen muss Energie aufgewandt werden. Im Großen sind damit Aufwendungen an verfallender Infrastruktur gemeint, der „Zahn der Zeit“ sorgt sonst für die langwierige Rückumwandlung in „chaotischere“ Zustände.

    Erst recht benötigt man (mehr) Energie für reales Wachstum, allerdings ist dies nicht unabhängig von der Physik und den Energieerhaltungssätzen. In deedls blog ist das sehr anschaulich  (unbedingt lesenswert) erklärt. Aktuell wenden wir quasi die Energie auf, die über einen längeren Zeitraum auf und in der Erde „gespeichert“ wurde. Übertragen gesagt leben wir also auf Pump, nur irgendwann sind die über einen sehr langen Zeitraum angesammelten Reserven aufgebraucht und wenn dann bei der Umstellung auf nachhaltige Energieversorgung eine riesige Lücke zwischen Bedarf und Angebot klafft, dürfte es zu massiven Verwerfungen kommen.

    In der heutigen finanzorientierten Wirtschaft bin ich immerzu geneigt, den Zins als eigentlichen Wachstumstreiber anzusehen. Frau Herrmann versucht dies in ihrem Buch dadurch zu entkräften, dass es den Zins bereits zu Zeiten stagnierender Wirtschaft gab und trotz dessen kein Wachstum erzeugt wurde. Das ist soweit nachvollziehbar, allerdings möchte ich zwei Kritikpunkte anbringen:

    1. In Mesopotamien wurde durch die entstehenden Schuldknechtschaften (zinsystembedingt) mit jedem Herrscherwechsel ein (Privat-)Schuldenerlass – tabula rasa – durchgeführt, das System quasi für den einfachen Bürger „resettet“.     Wachstum hätte man zu damaligen Zeiten wahrscheinlich gerne generiert, allerdings fehlte eine wichtige Zutat: Energie.
    2. Der Zins wird im heutigen wirtschaftlichen Umfeld als unkritisch dargestellt, weil er durch neu geschaffenes Wachstum unproblematisch sei. Bei genauerem Hinsehen ein klassischer Zirkelschluss zur Rechtfertigung.
    • Man kann sich daher merken, dass das Zinssystem (eben auch wegen des exponentiellen Charakters) sehr wohl problematisch ist. In stagnierenden Wirtschaften läuft es auf hoffnungslose Verschuldung breiter Massen und Vermögenskonzentration bei immer Wenigeren hinaus, so dass regelmäßig resettet werden muss. Mit Wirtschaftswachstum nährt man die Illusion, dass auch die breite Masse in einem solchen System dauerhaft profitieren könne.

    So dauerte es bis zum Beginn der industriellen Revolution in England, bis der Funke endlich?! zündete und der Wachstumsmotor ansprang. Dampfkraft wurde wohl bereits zu Zeiten der Römer genutzt, allein die Kenntnis der Technologie reichte nicht aus, um den Motor zu starten. Über Kohle hin zu Öl, Gas und Uran werden seitdem konventionelle Energieträger abgebaut, um den wachsenden Fortschritt am Laufen zu halten. Dabei wird von den reichhaltigen „Ersparnissen“ aus der Vergangenheit gezehrt, was keine nachhaltige Entwicklung darstellt.

    Nachhaltiges (reales) Wachstum strebt immer gegen eine Grenze und ist nie exponentiell. Ein Baum mag in jungen Jahren exponentielles Wachstum an den Tag legen, aber das ist nur eine Phase seines Lebens. Auf lange Sicht strebt er einer optimalen Größe entgegen, die durch die zuführbare bzw. aufnehmbare Energie (Licht, Wasser, Nährstoffe) begrenzt ist. Auf die heutige Zeit bezogen mag es uns daher so vorkommen, als könnten wir für ewig so weiter machen (es geht ja schließlich schon etliche Jahrzehnte so!), aber damit sitzen wir einen gewaltigen Trugschluss auf.

    Warum nun dieser Artikel in seiner Länge? Nun, selbst – oder besser gesagt gerade auf den Nachdenkseiten wird über Wachstumskritik nicht gerne nachgedacht bzw. wird diese als sozialstaatsfeinlich gebrandmarkt. Den in meinen Augen unbefriedigenden Diskussionsverlauf findet man hier auf den NDS [1] [3 – Replik auf 2] und hier als [2- Replik auf [1]. Aus (durchaus berechtigter) Angst, dem politischen Gegner damit in die Hände zu spielen, wird diese Kritik mehr oder weniger fadenscheinig abgebügelt. Dabei liegen die Positionen gar nicht so weit auseinander. Wachstum ja, aber nachhaltig muss es sein. Der Zins macht nun aber gerade exponentielles Wachstum notwendig, was eben nicht nachhaltig sein kann. Ur-Keynesianisches Denken (vgl. Wolfgang Waldners Serie bei flassbeck-economics) nach dem Motto „mehr von allem“ erzeugt genau den in diesem Beitrag aufgezeigten Widerspruch und wird nicht erneut funktionieren. Eine echte Diskussion darüber vermeiden zu wollen, da man sonst vergessen geglaubte Verteilungskonflikte neu adressieren müsste, bringt niemanden weiter (bis auf die Besitzstandswahrer). Die Menschheit wird sich über kurz oder lang in viel größerem Maßstab als jetzt mit der Verteilungssituation auseinander setzen müssen.

    edith [21:45]: Interessant, dass gerade jetzt eine Meldung bei SPON über den Ticker läuft: Der chinesische Botschafter hält die bisherigen Wachstumsraten für nicht länger haltbar. Grund: Energiemangel!
    „Unser jetziges Wirtschaftsmodell ist auf Dauer nicht zu halten“, sagte Shi Mingde dem „Tagesspiegel“ laut einer Vorabmeldung.“Um etwas herzustellen, brauchen wir viermal so viel Energie wie in Europa und siebenmal so viel wie in Japan“, kritisierte der Diplomat. Die Umwelt in China werde dadurch schwer belastet, gleichzeitig seien die Ressourcen begrenzt.

    edith 2 [29.12.]: Wie ich in den letzten Tagen häufiger feststellen musste, hat sich Georg Trappe bereits im letzten Jahr recht umfassend mit demselben Thema auseinandergesetzt. Sehr empfehlenswerter Beitrag!

    edith 3 [05.01.]: Überarbeitung der Einleitung sowie kleinere Korrekturen und Anfügungen.

     
  • thewisemansfear 12:49 pm am November 30, 2013 Permalink
    Tags: Dualismus, , Wachstum   

    Die Welt und die Abhängigkeiten der Akteure darin 

    Der Wirtschaftskreislauf funktioniert nach dem Prinzip „des Einen Ausgaben sind des Anderen Einnahmen“, und dieser Motor läuft nur rund, wenn Input und Output identisch sind. Dieser Zusammenhang lässt sich auf viele andere Bereiche übertragen:
    Die Geldvermögen des Einen, sind die Schulden eines Anderen.
    Überschüsse und Defizite gehören zusammen sowie Gewinn und Verlust.
    All diese Größen darf man nicht getrennt voneinander betrachten, denn damit unterschlägt man den entsprechenden Gegenpart [irgendwo] auf dieser Welt.

    Wachstum ist das große Thema, über das nachgedacht werden sollte. Niemand würde Verluste in Kauf nehmen, damit ein anderer Gewinn machen kann, Wirtschaft bzw. Handel ist ein Geben und Nehmen. Einzig durch Wachstum wird es möglich, den Profit auf der einen Seite so zu kaschieren, dass es an anderer Stelle nicht (sofort) als Verlust auffällt. In einem stagnierenden Umfeld wird dieser Zusammenhang sehr viel schneller deutlich, daher auch die zunehmende Kritik.
    Mit diesem Hintergrundwissen erscheint eine Argumentation mit der „individuellen Freiheit“ des Einzelnen absurd. Eine Debatte über Gerechtigkeit wird neu geführt werden müssen, und damit ist der Begriff an sich gemeint und nicht diese ganzen sinnentleerten Worthülsen mit Gerechtigkeit als Zusatz. Dieser Versuch der Aushöhlung der grundsätzlichen Bedeutung ist nichts anderes als Manipulation von Seiten neoliberaler Thinktanks.

    edith: Bin bei meinen Recherchen auf folgenden Blogbeitrag zum Thema Wachstum gestoßen, am Ende ist doch alles eine Frage der Entropie: http://deedls.blog.de/2013/08/15/endlichkeit-welt-16314014/

     
  • thewisemansfear 10:32 pm am November 9, 2013 Permalink
    Tags: , , Schuldenbremse, Wachstum   

    Geld und Schulden, gewürzt mit einer Prise Wachstum 

    Geld (und im weiteren Sinne Vermögen) ist untrennbar mit Schulden verknüpft. Ohne das eine gäbe es das andere nicht.
    Schulden können nur „abgebaut“ werden, indem man Vermögen vernichtet. Das ist ganz simple mathematische Logik. Alles andere ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung darüber, wer mit seinen Vermögensanteilen dafür grade stehen soll bzw. muss.
    Die Einkommens- und Vermögensverteilung ist bekanntermaßen sehr ungleich. Die Umverteilung von unten nach oben ist quasi im System eingebaut, mit der leistungslosen Rendite auf Kapital (Zinsen) sind die Vermögenseigner klar im Vorteil. Einen Ausgleich kann nur der Staat herbeiführen, bspw. durch gerechtere Einkommensbesteuerung und /oder Vermögensabgaben.

    Wachstum bedeutet sowohl ein Mehr an Vermögen als auch in logischer Konsequenz ein Mehr an Schulden. Dass sich der Staat mit einer selbst gesetzten Grenze an Ausgaben (Schuldenbremse) wirtschaftlich stranguliert, könnte man als schizophren bezeichnen. Wachstum bedeutet mehr – Vermögen als auch Schulden. Die Kernfrage muss lauten, wie das Ganze gerecht aufgeteilt wird. An dieser Diskussion haben die Mächtigen dieser Welt naturgemäß wenig Eigeninteresse…

     
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