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  • thewisemansfear 8:48 pm am April 27, 2015 Permalink
    Tags: , Euro, , , ICU, Keynes, , Target2   

    Was ist dran an „unserem“ Geld in Griechenland? 

    Es häufen sich in den Kommentarspalten aufgebrachte (angestachelte?) Nutzer, die offen einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone fordern – es sei „schon genug von unserem sauer erarbeiteten Steuergeld in dieses Fass ohne Boden geflossen.“

    Medial aufgetischt wird einem die Griechenland-Rettung so zumindest. Die Troika aus EU-Kommission, IWF und EZB müssen beständig Kredite nachschießen, sonst ist das Land geldtechnisch trocken gelegt. Eine informative Zusammenstellung findet sich hier.

    Was ist aber dran, an der Behauptung von „unserem“ Geld?

    Man muss sich einerseits fragen, ob besagte Kommentatoren den Unterschied zwischen einer Bürgschaft und real fließendem Geld verstanden haben, aber schauen wir weiter auf die Entwicklung, die zum jetzigen Zeitpunkt hingeführt hat. Griechenland, d.h. die Gesamtheit von Bevölkerung, Unternehmen und Staat importieren Jahr für Jahr mehr, als sie im Gegenzug exportieren. Was geschieht konkret, wenn ein Produkt aus dem Ausland gekauft wird? Nun, die Ware wird bezahlt. Warenstrom erfolgt ins Inland, der Geldstrom über die Grenze ins Ausland. Letzteren schauen wir uns genauer an:

    Den Bargeldtransfer per Post oder Kurier klammere ich einmal aus, das Geld wird überwiesen. Beim internationalen Zahlungsverkehr sind neben den Geschäftsbanken (einheimisch oder Geschäftsstelle einer ausl. Bank) noch die Zentralbanken involviert. Warum? Weil bei der Übertragung von Giralgeld der Geschäftsbanken immer auch Zentralbankgeld bewegt wird, Geschäftsbanken akzeptieren untereinander nur ZBGeld zur Verrechnung ihrer Salden. Wie sollte die Bilanz der Bank sonst auch ausgeglichen bleiben? Fließt auf der Passivseite Kundenguthaben ab, muss automatisch auch auf der Aktivseite (Zentralbank-)Geld in selber Höhe abfließen (oder es finden Zuflüsse in gleicher Höhe statt, aber genau das ist bei chronischen Defiziten ja genau nicht der Fall).

    Damit das Geld vom Konto des Käufers in GR auf dem Konto des Verkäufers landet, sind die Bank of Greece und die ausländische ZB „Relaisstationen“. Effektiv finden überall Buchungssätze statt, dinglich transferiert wird da schon länger nichts mehr. Innerhalb der Eurozone kommt zur Saldendokumentation ein System namens Target2 zum Einsatz. Den Geld“transfer“-Weg kann man in der Grafik unten nachverfolgen, unterteilt in Geschäftsbank- und Zentralbankebene. Über den Dollar in der Abbildung nicht irritieren lassen, im Euro-Währungsverbund wird selbstverständlich nur Euro zwischen den Landes-ZBn transferiert – via Target2 eben.

    int. Geldtransfer im hierarchisch gegliederten Geldsystem

    int. Geldtransfer im hierarchisch gegliederten Geldsystem

    Target2 ist in erster Linie ein Dokumentationssystem. Auszug aus der BuBa-Beschreibung zum Thema:

    „Fließen beispielsweise einer über die Bundesbank an TARGET2 teilnehmenden Bank Gelder aus dem Ausland zu, führt dies bei der Bundesbank zu Verbindlichkeiten gegenüber dieser Bank (etwa durch Gutschrift des Betrages auf deren Girokonto). Im Gegenzug entsteht eine Forderung der Bundesbank in gleicher Höhe gegenüber der sendenden nationalen Zentralbank. Diese wiederum belastet das Konto der sendenden Geschäftsbank. Dies erfordert ein ausreichendes Guthaben an Zentralbankgeld der sendenden Bank.“ (Quelle)

    Damit ist der Zahlungsverkehr von Sender zu Empfänger nachvollziehbar. Fließen nun mehr Euro von Griechenland ins Ausland als in Gegenrichtung, wird das über einen negativen T2-Saldo angezeigt. Die Gegenbuchung darf natürlich auch nicht vernachlässigt werden, was sich auf der einen Seite als Defizit niederschlägt, bedeutet an anderer Stelle einen entsprechenden Überschuss. Querschüsse hat das in dieser Grafik wunderbar visualisiert:

    Target2 Salden der Eurozone

    Target2 Salden der Eurozone (Quelle und (c) querschuesse)

    Auf statista gibt einen etwas neueren Überblick (02/15) in Form eines Balkendiagramms.

    Jetzt kommt der Punkt, den es zu verstehen gilt: Der Gesamtsaldo ist wie üblich Null (aber da ist auch noch die EZB involviert). Positiver Saldo – und da nimmt D die Spitzenposition ein – bedeutet monetären Überschuss. Wie ein großer Staubsauger werden Euro aus den Defizitländern v.a. nach D transferiert. Die Waren- und Dienstleistungsströme finden entgegengesetzt statt. Hier wird (mehr) produziert und verkauft, anderswo entsprechend (mehr) konsumiert.

    Wenn sich dauerhaft positive (resp. negative) Salden herausbilden, dann lebt eine Partei unter- und eine Partei über ihren Verhältnissen. Das sind jedoch 2 Seiten ein und derselben Medaille. Man kann im Überschuss-Land mit dem Finger auf seinen Gegenpart zeigen und ihn des „nicht vernünftig Wirtschaftens“ bezichtigen. Das greift dann allerdings viel zu kurz und blendet die eigene Verantwortung an der Situation aus. Ausschlaggebend für Kaufentscheidungen der Konsumenten auf einem „freien Markt“ ohne vorhandene Beschränkungen ist nun einmal der Preis, bzw. Preis/Leistungsverhältnis. Und maßgeblich für den Preis sind die Lohnstückkosten (Lohnkosten im Verhältnis zur Produktivität).

    Wenn ein gesamtes Land meint, es müsse Lohnzurückhaltung üben, dann schlägt sich das positiv in den Kaufentscheidungen für die nun attraktiveren Produkte nieder (was ja gewollt war, Stichwort Exportweltmeister). Aber welchen Vorwurf will man den ausländischen Bürgern denn machen? Dass sie sich rational für das beste P/L-Verhältnis entscheiden? Was können diese Menschen in der Gesamtheit dafür, dass sich bei ihrem Kaufverhalten ein chronisches Defizit einstellt? Die politische Weichenstellung ging von Deutschland aus, hier nahm der Kampf um die Marktanteile über den Unterbietungswettbewerb bei den Lohn(stück)kosten seinen Anfang. Ausufernde Salden wären in einer perfekten Welt Anzeiger für Politik, zu handeln. Stattdessen lehnt man sich zurück und lässt gemeinsam in ideologischer Eintracht die Kritiker aus den Defizit-Ländern auflaufen.

    Das Ende vom Lied erleben wir gerade live mit. Die Konsumenten finden sich in der Schuldenfalle, die Produzenten werden über Verdummungsmedien gegen sie aufgestachelt und der Euro wird als Schuld an der Misere hingestellt… Das ist zu einfach!

    Der Mythos von „unserem Geld“

    Ach ja, es ging ja um „unser“ Geld im Ausland. Nichts könnte weiter entfernt von der Realität sein. Deutschland ist Staubsauger von ausländischer Nachfrage (= Geld) und hortet dies als monetären Überschuss. Die Schwarze Null im Bundeshaushalt ist nur möglich mit über 200Mrd.€ an Geld aus dem Ausland, und die Planungen für dieses Jahr legen da nochmal eine Schippe drauf!

    Geld entsteht in den Banken vor Ort per Kreditvergabe. Über den beschriebenen Mechanismus müssen zwangsweise die ausländischen Bürger irgendwann reihenweise pleite gehen, da ihnen Geld zur Kreditrückzahlung fehlt. DA muss die Politik ran. Klar können wir nach und nach die überschuldeten Länder aus der Eurozone kicken, GR wäre da nur der Anfang. So lange an der aktuellen Politik festgehalten wird (dauerhafte Überschüsse seien etwas Gutes), kann es keine Lösung geben. Überschüsse erzwingen Defizite, man kann es gar nicht oft genug wiederholen.

    Was geschähe denn, wenn es die Eurozone nicht mehr gäbe? Es würden rasch über Auf- und Abwertungen Auslands-Schulden entwertet! Das ist der einzige Sinn und Zweck von Währungsabwertungen… Die Gläubiger schauen so oder so in die Röhre. Lieber geriert man sich noch über Notkredite und Finanzhilfen, womit man die Banken im Ausland liquide hält. Auf die ein oder andere Weise muss ein Ausgleich stattfinden, bei dauerhaft mehr Ab- als Zufluss an (monetären) Mitteln ist überall irgendwann Sense. Klopft der Politik endlich auf die Finger, dass hier in D die Inlandsnachfrage höher ausfällt. Es funktioniert nicht, dass von hier aus für den Rest der Welt mit produziert wird. Als Ausgleich müssten wir dann im Ausland jeder kräftig Urlaub machen und das Geld wieder dorthin zurücktragen.

    Keynes hatte mit der Idee einer International Clearing Union (ICU) einen eleganten und zudem funktionalen Vorschlag, wie dieses Problem des Überschussrecycling zu lösen wäre. Man sanktioniert sowohl Defizite als auch Überschüsse, wenn sie überhand nehmen bzw. chronisch werden sollten. Das wäre die simpelste Lösung, da der Anreiz verloren ginge, dauerhaft Überschüsse erwirtschaften zu wollen. Dann kann jedes Land nach seiner Façon glücklich werden und keines braucht sich mehr von außen reinregieren zu lassen. Die USA haben sich in Bretton-Woods über den Vorschlag von Keynes hinweggesetzt, daher braucht es mehr Druck und Aufklärung von unten, um eine für alle Parteien zufriedenstellende Lösung zu finden.

     
  • thewisemansfear 7:51 pm am February 16, 2014 Permalink
    Tags: Euro   

    Was bringt der Euro und wer profitiert? 

    Mit freundlicher Unterstützung von contraego aus dem ZON-Forum:

    „Die Abschaffung des Euro bringt den Menschen in Griechenland nichts und den Menschen in Deutschland auch nichts.“

    Den Euro zu behalten bringt ihnen aber auch nichts, im Gegenteil. Wäre ich ein Bulgare oder ein Rumäne oder ein Spanier, ich würde einen Brief schreiben an „Europa“ so wie man als Kind einen Brief an den Weihnachtsmann schrieb.

    „Liebe Euro-Elite. Ich lebe hier in meinem Heimatland seit vielen Jahren. Ich habe meine Kindheit hier verbracht und meine Kinder groß gezogen. Ich liebe mein Land und möchte eigentlich nicht weg hier. Hier gibt es noch keine Feinstaubkonzentration, die einen krank macht und die Kinder können noch in freier Natur spielen. Ich möchte nicht nach Stuttgart oder Hamburg oder nach Berlin ziehen. Ich werde es aber bald müssen. Die Konzerne in Deutschland ziehen mit Macht immer mehr Märkte an sich. Sie wollen von Deutschland aus ganz Europa und die ganze Welt beliefern. Der Deutsche Staat freut sich darüber, denn er bekommt immer mehr Steuern und die Rentenkassen werden kurzfristig auch gefüllt. In meinem land leben 80 Menschen pro qkm in Deutschland bereits 240. Ihr müsst immer mehr Straßen bauen und immer mehr Flughäfen. Die Grenzwerte beim Feinstaub müsst ihr wieder anheben …. Warum bringt ihr nicht ein wenig der vielen Arbeit zu uns? Der Euro machte unsere Produkte unrentabel (Produktivität, Kurs), und das wisst ihr auch. Und was macht Ihr, wenn auch Euch die Arbeit ausgeht? Schickt ihr uns dann direkt vom Niedriglohnsektor wieder nach hause?“

    Antwort vom Weihnachtsmann:

    Lieber contraego, Überleg doch mal. In Deutschland (gilt auch für die Schweiz) ist doch schon alles an Infrastruktur vorhanden. Was fehlt sind bill günstige Arbeitskräfte, um die hochproduktiven Werke auszulasten. Die verlagert man nicht mal einfach so woanders hin, erst recht nicht in ein Schwellen- oder Entwicklungsland. Dafür ist das Lohngefälle mittlerweile nicht mehr groß genug. Das haben die Unternehmer bereits alles durchgerechnet, und wenn sich das nicht rechnet, dann machen die das nicht. Erst mal müssen die bestehenden Werke ausgelastet werden, aber irgendwie fehlt es überall an Nachfrage (sagen zumindest die Ökonomen). Ist es denn wirklich so viel verlangt, dass Du deine Heimat für die Aussicht auf Arbeit verlassen musst? Gegen den Markt und seine eisernen Gesetze komme auch ich nicht an. Dass die Bevölkerung in den „Leuchtturm-Ländern“ ein wenig zusammenrutschen muss, damit kommen die schon zurecht. Ängste wegen Arbeitsplatzverlust und Überfremdung darf man nicht überbewerten, die Schweizer sind da in gewisser Weise Vorreiter…

     
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