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  • thewisemansfear 10:50 pm am March 3, 2015 Permalink
    Tags: , IG-Metall, Lohnstückkosten, Tarifabschluss   

    Höhere Tarifabschlüsse werden nicht helfen, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen 

    Nicht falsch verstehen, ich erkenne natürlich an, dass speziell in einer Währungsunion eine Angleichung der Lohnstückkosten erfolgen muss. Deutschland hat hier deutlichen Nachholbedarf, um in punkto Inflationsraten überhaupt zum EU-Durchschnitt aufzuschließen, geschweige denn längere Zeit[!] oberhalb davon zu verweilen. Dann würden in der Theorie die Überschüsse langsam aber stetig wieder abgebaut, man hätte dann hierzulande einen aktuell undenkbaren „Import-Überschuss“.

    3,4% auf 15Monate Tarifabschluss der IG-Metall sind wie auf flassbeck-economics errechnet gerade einmal 2,7% Steigerung bezogen aufs Jahr (Einmalzahlung kommt noch oben drauf). Besser als nichts, aber doch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Mein Arbeitgeber war sich nicht zu schade darauf hinzuweisen, dass dies ja die größte Reallohnsteigerung der letzten 15Jahre gewesen sei. Recht hat er, nur was sagt uns das über die Reallöhne aus? Hinweis: „flach wie ein Brett“.

    Warum halte ich diesen Weg nun für nicht gangbar? Weil das das äußerste ist, was die Unternehmen (Metallindustrie = vorwiegend Export) derzeit „verkraften“. Aufträge und Umsätze schwinden nicht erst seit Anfang des Jahres, damit wird es in der sich weiter eintrübenden Wirtschaft wohl oder übel weitergehen. Es kommt dann dazu, dass zwar die Tarifsteigerungen noch übernommen werden, aber gleichzeitig Leute entlassen werden! Die bisherigen Margen schwinden dahin, man muss daher noch weiter runter mit den Herstellkosten, so die Verlautbarung. Das funktioniert natürlich nicht beliebig, und vor dem Anheben der Verkaufspreise scheut man zurück. Das wird aus Einzelunternehmenssicht wie ein Zeichen von Schwäche ausgelegt… Dabei soll doch genau Inflation (=steigende Preise) erreicht werden. Tja, und wer hat die Güte, das den Unternehmenslenkern zu erklären, bevor diese noch mehr Druck auf ihre Belegschaft aufbauen? Der Arbeiter als Kostenfaktor wird weiter in den Fokus rücken und spätestens zur nächsten Tarifrunde wird es böse enden. Da können sich die Gewerkschaften auf die Hinterbeine stellen, nochmals ähnlich hohe Abschlüsse halte ich (realistischerweise leider) für utopisch. Wenn, dann wird wie schon geschehen, noch mehr Personal abgebaut, was der Gesamtnachfrage nicht wirklich zuträglich ist. Ein paar wenige, die noch in den Genuss weiterer Steigerungen kommen sollten, leben dann wie auf einer Insel der Glückseligen. Und um sie herum schaut man in die Röhre. Da gäbe es einiges zu managen von der Politik.

    Problem ist ja, dass die Struktur der deutschen Industrie so dermaßen auf Export getrimmt wurde, dass eine gewünschte!! Nachfragereduzierung aus dem Ausland (die sollen ja selbst wieder auf die Beine kommen) – egal ob wegen sich hier verteuernder Preise oder Staaten, die kurz vor der Austeritätspleite stehen – sich spürbar negativ bemerkbar macht. Kapazitäten und Leute, diese auszulasten, sind nun einmal da.

    Industrieproduktion Südeuropa

    Quelle: querschüsse

    Was binnen über 10 Jahren aufgebaut wurde, lässt sich nicht mal eben wieder auf nachhaltige Strukturen rückbauen.  Und doch kommt es genau darauf an, wie hier nun ein verträglicher Rückbau bewerkstelligt wird… Es funktioniert einfach nicht, weiter auf 200+Mrd € Auslandsschulden zu setzen (geklaute Nachfrage aus dem Ausland). Am Ende landet man in einer Transferunion oder man lässt die ehemalige Kundschaft pleite gehen. D.h. man wird so oder so auf die zusätzliche Nachfrage verzichten müssen. Aber für diese Einsicht ist es bei einigen Politikern noch ein weiter Weg.

    Idealerweise sorgt ein Einkommensschub ja für ein Momentum, was wie eine Kaskade neue Impulse lostriggert. Mit genügend Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft könnte das funktionieren. Ansonsten landet ein Großteil davon als Ersparnisse [sic!] nutzlos auf irgendeinem Konto und die Wirkung verpufft. Da helfen sie niemandem 🙂

     
    • guthabenkrise 9:08 pm am März 5, 2015 Permalink | Antworten

      Wenn man auf eine Wirtschaft im außenwirtschaftlichen Gleichgewicht umsteuern will, geht dies nur über einen längeren Zeitraum – es würde aber enorm helfen, dies als Ziel zu formulieren. Die Firmen müssen ja auch ihre Strategien anpassen. Bis dahin müssen wir prolongieren – unsere Nachfrageschulden = Geldschulden der Anderen zinslos via EZB finanzieren.

  • thewisemansfear 12:14 pm am January 31, 2015 Permalink
    Tags: , , , Lohnstückkosten, Michael Schlecht, ,   

    Neulich im Bundestag: Ideologie triumphiert über Sachverstand 

    Um das Thema Außenhandel und Leistungsbilanzüberschuss sowie -defizit wurde schon viel gesagt und geschrieben. Fakt ist, dass sich auf der Welt insgesamt alle Überschüsse und Defizite zu NULL aufaddieren, da die Welt selbst keinen Außenhandel betreibt (noch ist es zumindest nicht soweit). Die Chefideologen im Bundestag und im Beraterstab arbeiten aber weiter darauf hin 😉

    Die Widersprüche, in die sich so einige Überschussbefürworter verstricken, sind im Folgenden Debattenausschnitt auf den Punkt gebracht:

    • einseitige Sichtweise: „Wir haben Überschüsse, und das ist gut so!“ Dass diese Defizite auf der anderen Seite erzwingen bleibt außen vor.
    • „Wir haben schon Erfolge bei der Stimulierung der Binnennachfrage erzielt, sind deshalb auf einem guten Weg!“ Aha. Und deshalb rechnet der Wirtschafts-Siggi in seinem Haushaltsplan für dieses Jahr mit einem steigenden Außenbeitrag (höheres Defizit == mehr Schulden des Auslands)? Im Endeffekt heißt das, die Binnennachfrage läuft weiter unterdurchschnittlich.
    • „Wir wollen und brauchen kein Defizit in Deutschland!“ Haha, nein, wir verschenken dauerhaft Wirtschaftsgüter für monetäre Gutscheine (Geld). Auf diesem gehorteten „Schatz“ ruhen wir uns dann aus. Wenn nur das Ausland nicht dauern Pleite gehen würde… *hmpf*  Nochmal: Gelderwerb ist kein Selbstzweck. Wer geht arbeiten, damit der Kontostand stetig weiter steigt? Wenn man das so erarbeitete Geld nicht wieder für ein paar schöne Dinge ausgibt, dann hat man irgendwann vergessen zu leben… Schöner Selbstbetrug.
    • Daran anknüpfend: Es ist und bleibt unwiderlegbare Logik, dass der Abbau von monetären Überschüssen nur über ein Defizit im Überschussland möglich wird. Auf Einzelsicht bezogen, muss nach dem Sparen auch wieder entspart werden, sonst hat man nichts von der Ersparnis a.k.a. „Überschüsse“ gehabt. Die schwäbische Hausfrau, wenn sie alles richtig macht, lebt am Ende ihrer Tage vom Ersparten („über ihre Verhältnisse“). Ihr Konto weist dann ein bilanzielles Defizit auf.
    • Auf den Staat bezogen gibt es aber kein „Ende seiner Tage“, sondern steten Generationswechsel. Es kann kein dauerhaftes Ansparen bzw. dauerhaftes Verschulden geben. Der Hinweis auf den Stabilitätspakt von Michael Schlecht ist daher der Wink mit dem Zaunpfahl, der leider von den Ideologen beiseite gewischt wird.
    • „Wir wollen dass Deutschland als Exportnation erfolgreich bleibt, damit die Menschen in diesem Land Arbeit haben!“ Unfassbar, aber nur konsequent. Scheiß aufs Ausland, Hauptsache wir können unsere Leute beschäftigen… Wir produzieren am liebsten für die gesamte Welt mit! Da braucht keiner mehr den Finger rühren, uns reicht der wohlige Gedanke an dauerhaften Überschuss *facepalm*
    • Wenn das Ausland nur nicht ständig überschuldet wäre, hach, dieser Plan könnte bis in alle Ewigkeit so weiter verfolgt werden… Da muss man doch was tun, wenn die einfach nicht vernünftig wirtschaften können. Und dann wollen die nicht mal auf unsere Ratschläge hören?! Tsssss.

    Auf nationaler und internationaler Ebene zählen als wichtigste Vergleichsgröße die Lohnstückkosten (Lohn geteilt durch Produktivität). Es kommt eben nicht allein auf die Produktivität an, sondern ob diese im Verhältnis zu den Löhnen steht. In einer Währungsunion wie Deutschland nach der Wende und nun in der Eurozone insgesamt, müssen die Löhne an die Produktivität angeglichen werden. Die Unternehmen beuten aber genau die Lohndifferenzen zu ihren Gunsten aus, indem sie hochproduktive Werke in strukturschwache Randgebiete verlagern, wo sie eben nicht denselben Lohn für die gleiche Arbeit zahlen müssen. Ihr wollt Arbeit? Ja, aber nur zu unserem Preis! 

    Im Außenhandel gibt es das Mittel der Auf- und Abwertung der eigenen Währung. Häuft ein Land (zu Lasten des Auslands) über einen längeren Zeitraum monetäre Überschüsse an, werden die quasi über Nacht entwertet. Da können sich die Aufwertungs-Apologeten noch so drüber freuen, dass sie nun mehr Kaufkraft im Ausland zur Verfügung hätten. Das ist reine Augenwischerei. Es erzwingt über Nacht in- und ausländische Unternehmen ihre Bilanztitel neu zu bewerten mit entsprechenden Verwerfungen auf beiden Seiten. Fakt ist, dass danach die Auslandsnachfrage schwächer ausfällt und der Exportsektor das Nachsehen hat.

    Man kann es noch so sehr wollen und dank ideologischen Scheuklappen den Blick von der Realität abwenden, aber das Anhäufen von Dauerüberschüssen wird nicht gelingen. Die Politiker, die den Stabilitätspakt ausgearbeitet haben, hatten noch diese weise Voraussicht. Ich hoffe, dass nicht nur Ideologen im Bundestag sitzen, sondern dass sich Erkenntnisse dieser Tragweite irgendwie auch wieder als Allgemeingut durchsetzen. Sonst fährt dieser Karren gewaltig vor die Wand. Erst trüben sich in den Unternehmen die Aufträge und damit die Umsätze ein, dann brechen die Gewinne weg und es rückt der größte Ausgabenposten in den Fokus – die Löhne. Im Anschluss wird hilfesuchend bei der Politik angeklingelt: „Wir müssen billiger werden!“ Agenda 2020! Usw. usf. Die Abwärtsspirale ins Nichts, die lediglich einen zeitlichen Vorteil verschafft, bis der Rest nachgezogen hat oder sogar noch stärker gesenkt hat, spätestens dann ist man wieder im Zugzwang.

    Dem muss man klipp und klar einen Riegel vorschieben. Auch nicht für mehr Arbeitsplätze in Deutschland, nicht auf diesem Weg. Ein Wetteifern, wer es am günstigsten kann in der Währungsunion, nützt nur den Unternehmern. Aber selbst das nur temporär, da die Gesamtnachfrage so immer hinter den Erwartungen zurückbleiben wird. Die Politiker außerhalb des Linken Lagers lernen besser schnell, dass Wirtschaften immer Umverteilung bedeutet. Zu wessen Gunsten, das wird ständig neu austariert. Die Finanzlobby ist nach wie vor gewaltig am Drücker, aber auch dort wird man das Mächteverhältnis nicht mehr lange aufrecht erhalten können (ohne die Krallen noch weiter auszufahren). So fällt dann Hülle um Hülle, bis auch der Letzte mitbekommt, was hier eigentlich gespielt wird.

    Update: Merkel und Schäuble warnen und ermahnen Griechenland: Deutschland sei nicht erpressbar.http://www.zeit.de/politik/2015-01/merkel-schaeuble-griechenland
    Ist es eben doch! Wer Überschüsse anhäuft, baut lediglich Forderungen gegenüber dem Ausland auf und ist damit abhängig von der Leistungsfähigkeit und dem Willen des Schuldners. Man vertraut auf das Versprechen des „Schuldners“ (a.k.a. Geld), zukünftig Waren/Dienstleistungen im selben Wert konsumieren zu können. Was man effektiv ein“fordern“ kann, zeigt sich eben jetzt am aktuellen Beispiel. Wenn es dumm kommt nichts!
    Aber die Ermahnung wird schon wirken, wenn wir nur alle fest die Daumen drücken! 😉

     
    • GeorgT 5:53 am am Februar 3, 2015 Permalink | Antworten

      Sehr schoen geschrieben. Und was auf der Ebene der Volkswirtschaften dem einen oder anderen trotz per medialem Trommelfeuer verbreiteten Unfung doch noch einleuchtet, ist natuerlich auch auf der Ebene der Unternehmen und der Ebene der Individuen in gleicher Weise wirksam. Habe soeben auf Querschuesse einen neuen Begriff kennengelernt, der das aufgreift und noch etwas weiter traegt: saldenmechanischer Spreizeffekt. Kommt uebrigens vom gleichen Stuetzel, der Flassbeck die volkswirtschaftliche Saldenmechanik beigebracht hat, von der heute keiner mehr etwas wissen will.
      http://www.querschuesse.de/zu-nachlassenden-unternehmensinvestitionen-teil-3/

      „Wenn man das so erarbeitete Geld nicht wieder für ein paar schöne Dinge ausgibt, dann hat man irgendwann vergessen zu leben… Schöner Selbstbetrug.“

      Dabei ist interessant, wer diesen Selbstbetrug, zum Teil mit staatlicher Unterstuetzung aber immer mit staatlicher Lizenz, als Grundlage des Geschaeftsmodell fuer sich nutzt. Banken und Versicherungen.
      Es lohnt sich also ueber sog. kapitalgedeckte Altersvorsorge (z.B. Riester) gruendlich nach zu denken.

      • thewisemansfear 7:38 am am Februar 3, 2015 Permalink | Antworten

        Ich habe bei diesem Mist selbst jahrelang mitgemacht. Der Arbeitgeber verteilt Zückerli und schießt was bei, und zusätzlich werden noch Entgeltbestandteile „umgewandelt“, d.h. angespart.
        Hhm, der Begriff „saldenmechanische Spreizung“ trifft das Ganze sehr gut. Man versucht ja nichts anderes, als einen Teil seines Einkommens in die Zukunft zu transferieren (und heute drauf zu verzichten), dass zum späteren Zeitpunkt aber von anderen / vom dann (noch) vorhandenen Kapitalstock generiert werden muss. Das ist die Augenwischerei dabei.

        Man muss sich nur vor Augen halten, dass die Versicherungen ihren Gebührenanteile gleich in den ersten 3-5 Jahren rausziehen, das ist ein einziger Hohn. Die nachträglich geänderten Besteuerungsregeln machen das im besten Fall zur Nullnummer, aber wer rechnet diesen Kram schon nach…

        • GeorgT 9:31 am am Februar 3, 2015 Permalink

          Jeder duerfte mehr oder weniger in die Systematik eingebunden sein bzw. sich eingebunden haben. Leider wird nicht gruendlich genug darueber nachgedacht, wie das Ganze zusammenhaengt und funktioniert.
          Ihre Artikel sind da hoffentlich Anregung fuer den einen oder anderen. Ich bin jeden Tag mit Menschen konfrontiert, die ausser ihrer Arbeitskraft nichts haben und taeglich um ein minimales Liquiditaetspolster, das ihne eine Teilnahme am „Spiel“ ermoeglicht, kaempfen. Wenn man gleichzeitig vor Augen hat, wie jede Idee, einen Schritt vorwaerts zu kommen, daran scheitern kann, dass kein Geld und auch kein Kredit zu tragbaren Konditionen zugaenglich ist, dann begreift man, auf welchen existenziellen Noeten/Aengsten dieser „Mist“ gedeiht.

        • thewisemansfear 10:28 pm am Februar 5, 2015 Permalink

          Ja, und vielleicht werden dann ein paar Menschen irgendwann auch verstehen, dass Geld zwar als Liquidität benötigt wird und den Laden am laufen hält, aber das große Räderwerk von zur Verfügung stehenden Energieträgern (und deren Nutzbarmachung) abhängt. Wenn es sonst keine ausbeutbare Energiequelle gäbe, bleibt ja nur die körperliche Arbeitskraft, um *irgendetwas* zu bewegen.
          Ich bin mal auf eine Seite gestoßen, wo sehr plastisch eine Parallele zwischen Geld und verfügbarer Energie dargestellt wurde. Für diejenigen, die es im Überfluss haben, drehen sich die Räder ohne zutun…

  • thewisemansfear 12:51 pm am May 20, 2014 Permalink
    Tags: , BIP, , Einzelhandel, Leistungsbilanz, Lohnstückkosten, querschüsse, Wechselkurs,   

    Deutschland, dein Wirtschaftsmodell ist… KRANK 

    Um das zu untermauern, gibt es diese wunderbaren Visualisierungen aus dem Querschuesse-Blog. Fangen wir an mit der Leistungsbilanz. Die erste Grafik zeigt diese auf Monatsbasis, d.h. jeden Monat kommt der angegebene Beitrag oben drauf! Wie wir wissen, summieren sich auf der Welt die Leistungsbilanzsalden allesamt auf NULL, d.h. des Einen Überschüsse sind des Anderen Defizite.

     

    dland_Lbil_monatl1a194

    Quelle und ©: http://www.querschuesse.de/deutschland-zahlungsbilanz-maerz-2014/

     

    Ein wahres Feuerwerk, was hier seit 2001/02 abgebrannt wird. Sehr schön zu sehen ist hier die Tendenz nach oben Ende der 80er, die dann mit der Wiedervereinigung Deutschlands ein jähes Ende fand. Hier geht es wie gesagt nur um den Außenhandel.

    Sehr eindrucksvoll zeigt die folgende Grafik, dass die Leistungsbilanzüberschüsse mit einem beständigen Kapitalabfluss Richtung Ausland in gleicher Höhe einher gehen. Die 1.800 Milliarden Euro Marke hätten wir mittlerweile geknackt, wenn das kein Grund ist, die Sektkorken knallen zu lassen!

    Ähm, was? Wie das zusammenpasst? Na wir exportieren mehr Waren / Dienstleistungen als wir importieren, verdeutlicht in der folgenden Grafik unten. Der Kapitalabfluss bedeutet den Export des nötigen Kleingelds gleich noch mit, damit sich die Kundschaft den Kram auch kaufen kann. Tolles Konzept, oder?

    dland_exp_ipm1a92

    Quelle und ©: http://www.querschuesse.de/deutschland-aussenhandel-maerz-2014/

    Wie kann es aber überhaupt zu solchen Ungleichgewichten, oder sagen wir besser: Verwerfungen kommen? Damit wären wir beim Thema Wettbewerbsfähigkeit. Etwas, das sich aus Produktivität, Arbeitskosten (man sagt dazu auch Lohnstückkosten), allgemeinem Preisniveau, etc. zusammensetzt. Die Qualität wird auch immer wieder gern angeführt, aber auch die wird letztlich preislich eingerechnet.

    Ein Staat mit eigener Währung kann nun über Auf- bzw. Abwertung einen Ausgleich der Handelsungleichgewichte (über die Preisschiene) herbeiführen. In einer Währungsunion ist das für die beteiligten Länder keine Option mehr. Man muss in einer solchen Situation andere Wege eines Ausgleichs finden, Vertrauen auf das sich von selbst einstellende Marktgleichgewicht (sic!) ist unangebracht. Schauen wir uns die realen effektiven Wechselkurse an (normiert auf den BIP-Deflator):

    reale_wk_bipdeflator1a185

    Quelle und ©: http://www.querschuesse.de/euroland-reale-effektive-wechselkurse/

     

    Whoops! Die Entwicklung Frankreichs deckt sich übrigens voll mit der Zielsetzung aller Länder, die ursprünglich eine Steigerung des allgemeinen Preisniveaus von 1,9% vereinbart hatten. Die Südstaaten schießen über das Ziel hinaus und sind nun dabei, die Fehlentwicklung über Lohnanpassungen und anderweitige Kürzungsorgien zu korrigieren. Sowohl ein im Vergleich zu niedriges Zinsniveau und zu schnell steigende Löhne haben zu dieser Entwicklung geführt.

    Gesucht wird der Elefant im Raum, der von sich behauptet, alles richtig gemacht zu haben und dass sich der Rest an ihm zu orientieren habe. Angesichts der erdrückenden Faktenlage eine schon fast irre anmutende Selbsteinschätzung. Deutschland unterbietet den Rest, aber anstatt eines Entgegenkommens perlt Kritik an den verantwortlichen Betonschädeln einfach ab. Kritikresistenz durch dogmatisches Denken hatten wir hier erst, ist leider ein ernst zu nehmender Faktor bei der Diskussion.

    Zum Abschluss noch ein kleines Schmankerl mit einer Betrachtung der Binnenwirtschaft, genau genommen des Einzelhandels. Wer sich politisch motiviert in Lohnzurückhaltung übt, braucht sich über eine solche Entwicklung nicht zu wundern. Deutschland verharrt hier seit Jahren auf demselben Niveau (bei den Reallöhnen sieht es genauso aus), während es in Frankreich längerfristig beständig aufwärts geht.

     

    In Südeuropa ging es bis zum Ausbruch der Finanzkrise ebenfalls aufwärts, doch hier wurde der Überschwang beendet. Das sind wie gesagt nur die Folgen der gewünschten Angleichung des Preisniveaus an das deutsche internationale Niveau. Die sonstigen Auswirkungen wie Massenarbeitsloskeit und Verelendung/Ausgrenzung breiter Bevölkerungsteile sollte man sich ebenfalls gut vor Augen halten.

    Wenn Deutschland meint, auch Frankreich dieselbe „Kur“ aufdrücken zu können, wird es … sagen wir mal … interessant. Welchen Vorwurf wollte man Frankreich machen?! Die realen effektiven Wechselkurse als Vergleichswert auf internationaler Ebene zeigen es eindeutig im vereinbarungsgemäßen Soll, der Elefant im Raum wird mit seinen Dickschädel aber weiter argumentieren, dass eine Steigerung des Preisniveaus nur über einen Verlust an nicht hinnehmbarer Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen sei. Das ist sogar bis auf das Kursive korrekt, aber nur innerhalb der Währungsunion – und das ist im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens absolut notwendig. Dauerhaft unterbieten, manche nennen es „Lohndumping“, funktioniert nicht. Der Ausgleich muss – und er wird kommen. Entweder hart und mit einschneidenen Konsequenzen (Abschreibung uneinbringbarer Forderungen) oder einer gewollten Angleichung der Niveaus Schritt für Schritt.

    Ach ja, nach außen gibt es nach wie vor das Steuerungselement einer eigenen Währung. Dieses Instrument ist aber nur wirkungsvoll einsetzbar, wenn die internen Ungleichgewichte minimiert/ausgeräumt sind. Vergessen wir nicht, dass die Eurozone mittlerweile als Ganzes Exportüberschüsse „erwirtschaftet“. Hier zeichnet sich das gleiche Spiel ab, das Deutschland mit seinen Handelspartnern getrieben hat. Bei einem internationalen Währungskrieg verlieren aber, wie das bei „race to the bottom“-Spielen üblich ist, am Ende alle Beteiligten.

     
    • Der Malachit 8:50 am am Mai 26, 2014 Permalink | Antworten

      Sehr informativer Beitrag. Die entscheidende Frage ist allerdings, welche persönlichen Konsequenzen wir daraus ziehen können. Und zwar jetzt sofort und nicht erst, wenn die deutsche Karre im Dreck stecken bleibt.

      • thewisemansfear 7:37 pm am Mai 27, 2014 Permalink | Antworten

        Danke für die Blumen. Ohne das Zusammentragen und Visualisieren wäre das nicht halb so informativ – von daher gebührt den querschüssen der größte Anteil daran.

        Einen einfachen Lösungsweg gibt es nicht, hier kulminiert gerade eine Systemkrise. Dieses ganze Schauspiel ist nur Teil davon: ein Land (bzw. seine Steuermänner und -frauen), welches denkt, seine Politik hätte keine Auswirkungen auf den Rest der Welt. Da haben die Marktradikalen ganze Arbeit geleistet, egoistisches Denken verbunden mit realitätsleugnendem Starrsinn.

        Die alten Dogmen sind ausgelutscht und zerbröseln bei genauerem Hinsehen: „Wir müssen nur alle wieder auf Wachstumskurs!“ (sic!) Ja, wohin denn noch? Wie viel ist genug? sollte vielmehr die Debatten dieser Tage bestimmen.

        Interdisziplinärer Austausch und Zusammenarbeit sind überhaupt erst Voraussetzung zum Erkennen der Problemstellen. Gebt den Ökonomen doch mal ein paar Physiker an die Hand, die können den dann erklären, dass schon der Erhalt eines komplexen Systems ständig neue Energie verschlingt. Nein, das kann das Verbrennen fossiler Energieträger auf Dauer nicht leisten…
        Dann braucht es noch ein paar Soziologen, Psychologen, Antropologen, um den Ökonomen klar zu machen, dass die Annahmen, auf denen ihre Modelle beruhen, nicht mit der Realität in Einklang zu bringen sind.
        Eine echte Zielsetzung außer einem „immer mehr“ wäre auch nicht verkehrt…

        Konkret kann man als Einzelner nur sein Umfeld versuchen aufzuklären. Hinterfragen und kritisieren, wo man ideologische Dogmen erkennt. Man versucht ja gerade, die Leute in die Resignation zu treiben. Leider mit allzu großem Erfolg.

        Hier noch der Hinweis auf einen Beitrag von H. Flassbeck zum Themenkomplex Europa/Euro: http://www.flassbeck-economics.de/europawahl-seht-die-zeichen-an-der-wand/

    • Der Malachit 11:51 am am Mai 28, 2014 Permalink | Antworten

      Du schreibst: “Wir müssen nur alle wieder auf Wachstumskurs!” … und weist nach, dass es dieses ewige Wachstum nicht geben kann.
      Das ist richtig, wenn man das System als abgeschlossenes System betrachtet und das System als solches in ein unendlich großes Zeitfenster stellt.
      Die gesellschaftliche Entwicklung zeigt aber, dass das Zeitfenster für jedes System ein begrenztes ist. d.h. Jedes System wird durch ein neues System abgelöst, da es sich als System nicht selbst reformieren kann.
      Als das Römische Reich seinen durch Sklaven aufgebrachten Energiebedarf nicht mehr decken konnte, zerfiel es. Der Aufwand für die Armee, die zur Herbeischaffung immer neuer Sklaven aus neu eroberten Gebieten erforderlich war, konnte nicht mehr erbracht werden. Folge s.o. .
      Als die Eurozone seinen durch Wirtschaftswachstum aufgebrachten Energiebedarf nicht mehr ….. .
      Aber so weit ist es noch nicht, denn der Aufwand für die Angliederung weiterer Staaten an den Euroraum kann momentan noch erbracht werden. Die Osterweiterung ist noch nicht abgeschlossen. Moldavien, Ukraine, Georgien, Armenien, Usbekistan, in Aserbaitschan gibt es neues Öl. Da geht im Moment noch was. Doch wenn der wirtschaftliche Aufwand zu groß wird, dann … .
      Wann das passiert und wie das neue System dann aussieht, weiß keiner. Aber dass es so kommen wird schon.
      Der Malachit.

      • thewisemansfear 12:39 pm am Mai 28, 2014 Permalink | Antworten

        Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, hier über die EU-Außenpolitik zu spekulieren.
        (Versuchte) Machtausweitung zur Sicherung von Ressourcen sieht man auf der ganzen Welt. Wer die Konflikte analysiert, egal ob aktuell oder vergangen, wird immer ein ähnliches Muster vorfinden.
        Man kann das Spiel natürlich so lange treiben, bis es unökonomisch wird. Immer weiter expandieren, neue Vorkommen erschließen, usw. Wenn dabei allerdings unser aller langfristige Lebensgrundlagen in Mitleidenschaft gezogen werden, läuft das auf sich zuspitzende Generationenkonflikte hinaus. Der einzige energetische Systeminput kommt von der Sonne. Wenn alles andere verbrannt ist, bleibt nur diese Ressource übrig. Werde das mal als einen der kommenden Beiträge aufgreifen und konkretisieren.

        • Der Malachit 10:13 am am Mai 29, 2014 Permalink

          Das wäre eine echte wissenschaftliche Herausforderung. Ich hatte meinen Kommentar nur auf die Entwicklungen gesellschaftlicher Systeme bezogen und nur zwei Beispiele betrachtet. Es gibt da auch noch mehr.

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