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  • thewisemansfear 12:14 pm am January 31, 2015 Permalink
    Tags: , Ideologie, , , Michael Schlecht, ,   

    Neulich im Bundestag: Ideologie triumphiert über Sachverstand 

    Um das Thema Außenhandel und Leistungsbilanzüberschuss sowie -defizit wurde schon viel gesagt und geschrieben. Fakt ist, dass sich auf der Welt insgesamt alle Überschüsse und Defizite zu NULL aufaddieren, da die Welt selbst keinen Außenhandel betreibt (noch ist es zumindest nicht soweit). Die Chefideologen im Bundestag und im Beraterstab arbeiten aber weiter darauf hin 😉

    Die Widersprüche, in die sich so einige Überschussbefürworter verstricken, sind im Folgenden Debattenausschnitt auf den Punkt gebracht:

    • einseitige Sichtweise: „Wir haben Überschüsse, und das ist gut so!“ Dass diese Defizite auf der anderen Seite erzwingen bleibt außen vor.
    • „Wir haben schon Erfolge bei der Stimulierung der Binnennachfrage erzielt, sind deshalb auf einem guten Weg!“ Aha. Und deshalb rechnet der Wirtschafts-Siggi in seinem Haushaltsplan für dieses Jahr mit einem steigenden Außenbeitrag (höheres Defizit == mehr Schulden des Auslands)? Im Endeffekt heißt das, die Binnennachfrage läuft weiter unterdurchschnittlich.
    • „Wir wollen und brauchen kein Defizit in Deutschland!“ Haha, nein, wir verschenken dauerhaft Wirtschaftsgüter für monetäre Gutscheine (Geld). Auf diesem gehorteten „Schatz“ ruhen wir uns dann aus. Wenn nur das Ausland nicht dauern Pleite gehen würde… *hmpf*  Nochmal: Gelderwerb ist kein Selbstzweck. Wer geht arbeiten, damit der Kontostand stetig weiter steigt? Wenn man das so erarbeitete Geld nicht wieder für ein paar schöne Dinge ausgibt, dann hat man irgendwann vergessen zu leben… Schöner Selbstbetrug.
    • Daran anknüpfend: Es ist und bleibt unwiderlegbare Logik, dass der Abbau von monetären Überschüssen nur über ein Defizit im Überschussland möglich wird. Auf Einzelsicht bezogen, muss nach dem Sparen auch wieder entspart werden, sonst hat man nichts von der Ersparnis a.k.a. „Überschüsse“ gehabt. Die schwäbische Hausfrau, wenn sie alles richtig macht, lebt am Ende ihrer Tage vom Ersparten („über ihre Verhältnisse“). Ihr Konto weist dann ein bilanzielles Defizit auf.
    • Auf den Staat bezogen gibt es aber kein „Ende seiner Tage“, sondern steten Generationswechsel. Es kann kein dauerhaftes Ansparen bzw. dauerhaftes Verschulden geben. Der Hinweis auf den Stabilitätspakt von Michael Schlecht ist daher der Wink mit dem Zaunpfahl, der leider von den Ideologen beiseite gewischt wird.
    • „Wir wollen dass Deutschland als Exportnation erfolgreich bleibt, damit die Menschen in diesem Land Arbeit haben!“ Unfassbar, aber nur konsequent. Scheiß aufs Ausland, Hauptsache wir können unsere Leute beschäftigen… Wir produzieren am liebsten für die gesamte Welt mit! Da braucht keiner mehr den Finger rühren, uns reicht der wohlige Gedanke an dauerhaften Überschuss *facepalm*
    • Wenn das Ausland nur nicht ständig überschuldet wäre, hach, dieser Plan könnte bis in alle Ewigkeit so weiter verfolgt werden… Da muss man doch was tun, wenn die einfach nicht vernünftig wirtschaften können. Und dann wollen die nicht mal auf unsere Ratschläge hören?! Tsssss.

    Auf nationaler und internationaler Ebene zählen als wichtigste Vergleichsgröße die Lohnstückkosten (Lohn geteilt durch Produktivität). Es kommt eben nicht allein auf die Produktivität an, sondern ob diese im Verhältnis zu den Löhnen steht. In einer Währungsunion wie Deutschland nach der Wende und nun in der Eurozone insgesamt, müssen die Löhne an die Produktivität angeglichen werden. Die Unternehmen beuten aber genau die Lohndifferenzen zu ihren Gunsten aus, indem sie hochproduktive Werke in strukturschwache Randgebiete verlagern, wo sie eben nicht denselben Lohn für die gleiche Arbeit zahlen müssen. Ihr wollt Arbeit? Ja, aber nur zu unserem Preis! 

    Im Außenhandel gibt es das Mittel der Auf- und Abwertung der eigenen Währung. Häuft ein Land (zu Lasten des Auslands) über einen längeren Zeitraum monetäre Überschüsse an, werden die quasi über Nacht entwertet. Da können sich die Aufwertungs-Apologeten noch so drüber freuen, dass sie nun mehr Kaufkraft im Ausland zur Verfügung hätten. Das ist reine Augenwischerei. Es erzwingt über Nacht in- und ausländische Unternehmen ihre Bilanztitel neu zu bewerten mit entsprechenden Verwerfungen auf beiden Seiten. Fakt ist, dass danach die Auslandsnachfrage schwächer ausfällt und der Exportsektor das Nachsehen hat.

    Man kann es noch so sehr wollen und dank ideologischen Scheuklappen den Blick von der Realität abwenden, aber das Anhäufen von Dauerüberschüssen wird nicht gelingen. Die Politiker, die den Stabilitätspakt ausgearbeitet haben, hatten noch diese weise Voraussicht. Ich hoffe, dass nicht nur Ideologen im Bundestag sitzen, sondern dass sich Erkenntnisse dieser Tragweite irgendwie auch wieder als Allgemeingut durchsetzen. Sonst fährt dieser Karren gewaltig vor die Wand. Erst trüben sich in den Unternehmen die Aufträge und damit die Umsätze ein, dann brechen die Gewinne weg und es rückt der größte Ausgabenposten in den Fokus – die Löhne. Im Anschluss wird hilfesuchend bei der Politik angeklingelt: „Wir müssen billiger werden!“ Agenda 2020! Usw. usf. Die Abwärtsspirale ins Nichts, die lediglich einen zeitlichen Vorteil verschafft, bis der Rest nachgezogen hat oder sogar noch stärker gesenkt hat, spätestens dann ist man wieder im Zugzwang.

    Dem muss man klipp und klar einen Riegel vorschieben. Auch nicht für mehr Arbeitsplätze in Deutschland, nicht auf diesem Weg. Ein Wetteifern, wer es am günstigsten kann in der Währungsunion, nützt nur den Unternehmern. Aber selbst das nur temporär, da die Gesamtnachfrage so immer hinter den Erwartungen zurückbleiben wird. Die Politiker außerhalb des Linken Lagers lernen besser schnell, dass Wirtschaften immer Umverteilung bedeutet. Zu wessen Gunsten, das wird ständig neu austariert. Die Finanzlobby ist nach wie vor gewaltig am Drücker, aber auch dort wird man das Mächteverhältnis nicht mehr lange aufrecht erhalten können (ohne die Krallen noch weiter auszufahren). So fällt dann Hülle um Hülle, bis auch der Letzte mitbekommt, was hier eigentlich gespielt wird.

    Update: Merkel und Schäuble warnen und ermahnen Griechenland: Deutschland sei nicht erpressbar.http://www.zeit.de/politik/2015-01/merkel-schaeuble-griechenland
    Ist es eben doch! Wer Überschüsse anhäuft, baut lediglich Forderungen gegenüber dem Ausland auf und ist damit abhängig von der Leistungsfähigkeit und dem Willen des Schuldners. Man vertraut auf das Versprechen des „Schuldners“ (a.k.a. Geld), zukünftig Waren/Dienstleistungen im selben Wert konsumieren zu können. Was man effektiv ein“fordern“ kann, zeigt sich eben jetzt am aktuellen Beispiel. Wenn es dumm kommt nichts!
    Aber die Ermahnung wird schon wirken, wenn wir nur alle fest die Daumen drücken! 😉

     
    • GeorgT 5:53 am am Februar 3, 2015 Permalink | Antworten

      Sehr schoen geschrieben. Und was auf der Ebene der Volkswirtschaften dem einen oder anderen trotz per medialem Trommelfeuer verbreiteten Unfung doch noch einleuchtet, ist natuerlich auch auf der Ebene der Unternehmen und der Ebene der Individuen in gleicher Weise wirksam. Habe soeben auf Querschuesse einen neuen Begriff kennengelernt, der das aufgreift und noch etwas weiter traegt: saldenmechanischer Spreizeffekt. Kommt uebrigens vom gleichen Stuetzel, der Flassbeck die volkswirtschaftliche Saldenmechanik beigebracht hat, von der heute keiner mehr etwas wissen will.
      http://www.querschuesse.de/zu-nachlassenden-unternehmensinvestitionen-teil-3/

      „Wenn man das so erarbeitete Geld nicht wieder für ein paar schöne Dinge ausgibt, dann hat man irgendwann vergessen zu leben… Schöner Selbstbetrug.“

      Dabei ist interessant, wer diesen Selbstbetrug, zum Teil mit staatlicher Unterstuetzung aber immer mit staatlicher Lizenz, als Grundlage des Geschaeftsmodell fuer sich nutzt. Banken und Versicherungen.
      Es lohnt sich also ueber sog. kapitalgedeckte Altersvorsorge (z.B. Riester) gruendlich nach zu denken.

      • thewisemansfear 7:38 am am Februar 3, 2015 Permalink | Antworten

        Ich habe bei diesem Mist selbst jahrelang mitgemacht. Der Arbeitgeber verteilt Zückerli und schießt was bei, und zusätzlich werden noch Entgeltbestandteile „umgewandelt“, d.h. angespart.
        Hhm, der Begriff „saldenmechanische Spreizung“ trifft das Ganze sehr gut. Man versucht ja nichts anderes, als einen Teil seines Einkommens in die Zukunft zu transferieren (und heute drauf zu verzichten), dass zum späteren Zeitpunkt aber von anderen / vom dann (noch) vorhandenen Kapitalstock generiert werden muss. Das ist die Augenwischerei dabei.

        Man muss sich nur vor Augen halten, dass die Versicherungen ihren Gebührenanteile gleich in den ersten 3-5 Jahren rausziehen, das ist ein einziger Hohn. Die nachträglich geänderten Besteuerungsregeln machen das im besten Fall zur Nullnummer, aber wer rechnet diesen Kram schon nach…

        • GeorgT 9:31 am am Februar 3, 2015 Permalink

          Jeder duerfte mehr oder weniger in die Systematik eingebunden sein bzw. sich eingebunden haben. Leider wird nicht gruendlich genug darueber nachgedacht, wie das Ganze zusammenhaengt und funktioniert.
          Ihre Artikel sind da hoffentlich Anregung fuer den einen oder anderen. Ich bin jeden Tag mit Menschen konfrontiert, die ausser ihrer Arbeitskraft nichts haben und taeglich um ein minimales Liquiditaetspolster, das ihne eine Teilnahme am „Spiel“ ermoeglicht, kaempfen. Wenn man gleichzeitig vor Augen hat, wie jede Idee, einen Schritt vorwaerts zu kommen, daran scheitern kann, dass kein Geld und auch kein Kredit zu tragbaren Konditionen zugaenglich ist, dann begreift man, auf welchen existenziellen Noeten/Aengsten dieser „Mist“ gedeiht.

        • thewisemansfear 10:28 pm am Februar 5, 2015 Permalink

          Ja, und vielleicht werden dann ein paar Menschen irgendwann auch verstehen, dass Geld zwar als Liquidität benötigt wird und den Laden am laufen hält, aber das große Räderwerk von zur Verfügung stehenden Energieträgern (und deren Nutzbarmachung) abhängt. Wenn es sonst keine ausbeutbare Energiequelle gäbe, bleibt ja nur die körperliche Arbeitskraft, um *irgendetwas* zu bewegen.
          Ich bin mal auf eine Seite gestoßen, wo sehr plastisch eine Parallele zwischen Geld und verfügbarer Energie dargestellt wurde. Für diejenigen, die es im Überfluss haben, drehen sich die Räder ohne zutun…

  • thewisemansfear 2:29 pm am November 29, 2014 Permalink
    Tags: , , Herdentrieb, Ideologie, ,   

    Das Ölkartell: dank Wettbewerbsideologie im Selbstzerstörungsmodus 

    „Ölpreis schmiert ab“ titelt das Handelsblatt in einer aktuellen Meldung. Schuld daran sei das Festhalten der OPEC an den aktuellen Fördermengen. Allen voran Saudi-Arabiens Ölminister Al-Naimi wird zitiert mit:

    „Niemand sollte kürzen, und der Markt wird sich von selbst stabilisieren.“

    Ahja, der Mann muss es wissen… Die Funktionsweise „des Marktes“ ist klar: düstere Zukunftsaussichten mit geringerer Öl- bzw. Energienachfrage bei gleichbleibendem Angebot bzw. Fördermenge drückt den Preis, bis das vielbeschworene Gleichgewicht im Markt wieder gefunden ist. Wie wunderbar dieser Mechanismus funktioniert, sieht insbesondere am Langfristchart sehr beeindruckend aus (Augenmerk um 2008 herum):

    2007/08 war man voller überschwänglicher Erwartungen in die wirtschaftliche Entwicklung (noch vollkommen untertrieben) – bis die Blase geplatzt ist. Jetzt verkehren sich die Vorzeichen, nur anstatt mit Förderkürzungen das Angebot zu verknappen, um den Preis möglichst stabil auf hohem Niveau zu halten (ist ja auch eine psychologische Maßnahme, die die Erwartungshaltung der Marktspezis erfüllen würde) passiert genau – nichts. Ist ein Kartell normalerweise dazu gedacht, durch unerlaubte Preisabsprachen den Preis für eine Sache künstlich nach oben zu treiben, steht die Wettbewerbsideologie dem nun konträr im Wege.

    Wie ist das erklärbar? Eigentlich ganz einfach, es ist wohl so ähnlich wie: Wer zuerst zuckt, hat verloren. Wer einseitig die Fördermenge verknappt, ohne dass der Rest mitspielt, gibt am Ende Marktanteile ab und im schlimmsten Fall verpufft die Reduzierung nahezu vollständig ohne Stabilisierungswirkung auf den Preis. So argumentiert denn auch Saudi-Arabien.

    Die Angst vor der Konkurrenz, die einen überrollt, wenn man nicht 110% gibt

    So wendet sich die Wettbewerbsideologie am Ende gegen die Systemprofiteure. Wäre eigentlich eine schöne Anekdote, wenn die Folgen für die gesamte Weltwirtschaft nicht so beträchtlich wären. Man muss sich das nur mal vor Augen halten: In Zeiten steigender Preise und berauschender Zukunftsaussichten kann sich niemand der Akteure erlauben, kürzer zu treten, man ist in ständiger Furcht davor, sonst Marktanteile an die Konkurrenz abzugeben. Also wird alternativlos aufs Gas getreten, neue Fördermöglichkeiten ersonnen und umgesetzt, nur um die steigende Nachfrage zu befriedigen. Ich habe in der Solarindustrie den Boom live miterlebt, da gab es kein Durchschnaufen, nein, da wurden alle möglichen Anstrengungen unternommen, das bestehende System so gut es geht zu skalieren und die Produktionskapazitäten auszubauen. Blöd wird es dann, wenn man langsam realisiert, dass man hier ein Hamsterrad antreibt, was unter den eigenen Füßen ein Eigenleben entwickelt und einen umzureißen droht. Die Blase an übertriebener Erwartungshaltung ist geplatzt, man leckt sich immer noch die Wunden davon. Aktuelle Kapazitätsauslastung? Lieber nicht nachfragen…

    Sinken nun die Zukunftsaussichten, vermag es dank derselben Ideologie wieder der Einzelne nicht, dem sich in Gegenrichtung drehenden Hamsterrad zu entkommen. Wer nicht mitzieht, läuft am Ende Gefahr, Marktanteile abzugeben. Wir werden sehen, an welcher Stelle sich der Markt wieder von selbst „stabilisiert“.

    Folgen für die Weltwirtschaft

    In einer Wirtschaft, in der vor allem durch langfristige Anreizsysteme gesteuert wird, sind sinkende Preissignale bei Energie fatal. Kurzfristig bringen sie Entlastung bei den Verbrauchern, aber langfristig werden damit Investitionen in (jetzt noch) teure Entwicklungen unattraktiv und eingestellt. Die Ölproduzenten können ein Lied davon singen, etliche aktuelle Fördertechniken rentieren sich erst oberhalb einer gewissen Preisschwelle. Mal eben eine Öl-/Gasquelle abschalten und dann wieder aktivieren, wenn der Preis wieder genehm ist, funktioniert jedenfalls nicht.

    Als kurzes Fazit an dieser Stelle: Statt relative Preisstabilität mit langsam steigenden (oder fallendem) Verlauf sehen wir dank Wettbewerbsideologie ein kurz aufeinander folgendes Auf- und Ab von Über- und Untertreibungen. Das ist keine Wirtschaftsordnung, die langfristig überleben wird. Mit effektiver Ressourcenallokation hat das nichts im Entferntesten zu tun. Wenn man denn feststellt, dass der jetzige Talflug übertrieben ist, geht der Schweinezyklus von vorne los. Bis dahin sind aber reale Produktionskapazitäten verschwunden und müssen erst aufwändig wieder aufgebaut/aktiviert werden. Herdentrieb at its best.

    An einen ausführlicheren Beitrag zum Thema sei hier verwiesen: Trifft Russland Venezuela auf dem Weg zu einer zweiten OPEC?

    Update 08.12.: Auch Heiner Flassbeck hat das Sinken des Ölpreises in einem Radiointerview thematisiert: Der stark gesunkene Ölpreis: Ein ökologischer Rückschlag

     
    • bertrandolf 10:13 am am November 30, 2014 Permalink | Antworten

      Das in der Marktwirtschaft ständig Schweinezyklen auftreten ist aber nicht unbedingt etwas neues.

      • thewisemansfear 3:48 pm am November 30, 2014 Permalink | Antworten

        Ich betrachte das aus der Sicht eines Ingenieurs. Und wenn es wie oben zu sehen zu einem solchen Schwingungsverhalten kommt, dann gehört im System eine Dämpfung nachgerüstet. Der Öl-/Energiepreis ist nicht irgendetwas. Der hat in unseren modernen Dienstleistungs- und Industriegesellschaften eine Schlüsselrolle inne.
        Der Abstand der einzelnen Zyklusphasen wird zunehmend kürzer, so ist keine langfristige Planung mehr möglich. Das führt das ganze (Wirtschafts-)System ad absurdum.
        Das sollte eigentlich rüberkommen.

        Schauen Sie sich diesen Beitrag von Chris Martenson an, diesen Gegebenheiten sollte der Energie-/Rohstoffpreis eigentlich Rechnung tragen: https://www.youtube.com/watch?v=is0Ww5lu6Pg

  • thewisemansfear 9:35 pm am November 21, 2014 Permalink
    Tags: Heiner Flassbeck, Ideologie, Jahresgutachten, Norbert Häring, Thomas Fricke, Wirtschaftsweise, Wolfgang Lieb   

    Wer hat Angst vor weisen Männern? 

    Das Jahresgutachten der 5 „Wirtschaftsweisen“ erschien erst vor etwas über einer Woche und ist bereits von unterschiedlichen Stellen genüsslich seziert worden. Fazit: Vor diesen „Weisen“ braucht niemand Angst zu haben, vielmehr sollten sie sich vor dem Publikum fürchten*. Selbst die Kanzlerin konnte sich eine ironische Erwiderung auf den Inhalt nicht verkneifen:

    „Es ist nicht ganz trivial zu verstehen, wie ein Beschluss, der noch nicht in Kraft ist, jetzt schon eine konjunkturelle Dämpfung hervorrufen kann.“

    Gemeint ist der ab kommenden Jahr geltende gesetzliche Mindestlohn. Der SVR war der Meinung, dass die aktuelle konjunkturelle Eintrübung auch auf zukünftige Gesetzesänderungen zurückzuführen sei. Ausnahme bildet Peter Bofinger, der in seinem Minderheitenvotum ein klein wenig Hoffnung durchschimmern lässt, dass noch so etwas wie gesamtwirtschaftliches Verständnis außerhalb des neoklassizistischen Elfenbeinturms existiert.

    ———–

    Die aktuellste Kritik kommt von Thomas Fricke, der bereits den Titel wunderbar ironisch formuliert: Achtung, Ihnen kommen Wirtschaftsweisheiten entgegen.

    Heiner Flassbeck und Team haben sich das Gutachten vorgeknöpft: Sachverständigenrat: Auch aus Prognoseschaden will man nicht klug werden

    Wolfgang Lieb von den Nachdenkseiten ebenfalls: Jahresgutachten des „Sachverständigenrats“: „Wirtschaftswissenschaft“ als Arbeitgeberpropaganda

    Lucas Zeise hat sich jetzt auch mit dem „Bericht“ beschäftigt: Angebotstheorie besonders platt

    Richtig ausführlich beschäftigt sich Norbert Häring mit dem Pamphlet, regelrecht erschreckend, was er zutage fördert:

    Wer diese Kritiken gelesen hat, muss sich ernsthaft fragen, in was für einer Welt wir leben, um uns von solchen [zensiert] „Ratschläge“ für die wirtschaftliche Entwicklung erteilen zu lassen. So eklatant, wie hier die eigene Ideologie zum Vorschein kommt, muss selbst der Letzte irgendwann merken, was für ein Zirkus da eigentlich abläuft.

    Das Kernproblem ist im Prinzip bereits in diesem älteren Beitrag beschrieben. Vor allem mit Blick auf das dortige Bild muss klar werden, dass das neoklassische Weltbild ein wunderbar in sich geschlossenes Framework darstellt. Es liefert in sich schlüssige Antworten, die nur nicht (mehr) mit der Realität in Einklang zu bringen sind. Wenn man einmal darin gefangen, dem Weltbild/der Ideologie verfallen ist, dann gibt es kein so schnelles Entkommen. Die Erde ist dann eben eine Scheibe und die Sonne dreht sich um sie herum, nur Einfaltspinsel behaupten was von „rund“ und „und sie bewegt sich doch!„.

    Zu weit hergeholt? Keineswegs, denn das Grundprinzip ist das gleiche. Mit alten Dogmen wird gebrochen, sobald die Unzulänglichkeiten bei der Abbildung der Realität immer auffälliger werden und nicht mehr wegzukaschieren sind. Das fängt im Kleinen an und braucht eine Weile, bis es eine kritische Masse an Menschen ebenfalls versteht. Wenn der Damm dann einmal gebrochen ist, werden auch die Letzten (bis auf die bornierten Ideologen) einsehen, dass „ihr Weltbild“ auf fehlerhaften Annahmen gefußt hat. Ähnlich wie Kinder irgendwann erkennen müssen, dass das mit dem Klapperstorch oder dem Weihnachtsmann auch nur ein nettes Märchen war, das man so lange glaubt, bis die Realität sie einholt.

    Von daher, auch wenn es wie ein Kampf gegen Windmühlen aussieht – steter Tropfen höhlt den Stein. Beharrlichkeit zahlt sich am Ende aus.

    Ach ja – lasst euch nicht von denjenigen ins Bockshorn jagen, die ein komplett neues/besseres Modell einfordern, bevor man sich vom alten lösen könne. Zuerst wird mit dem alten Weltbild gebrochen, dann kann gemeinsam etwas Neues entstehen. Wenn wir ehrlich sind, befinden wir uns bereits mitten drin im Kampf um die besten Ideen und Erklärungsversuche. Und logischerweise zieht auch das „Establishment“ weiter seine Fäden, vielleicht hat schon mal jemand den Begriff „Gatekeeper“ gehört. In jedem Fall liegen spannende Zeiten vor uns, in denen man sich in der Masse mittreiben lassen kann, oder sie aktiv mitzugestalten versucht.

     

    * Kleine Anspielung auf den Titel dieses Blogs, obwohl auch das gleichnamige Buch von Patrick Rothfuss bei der Namensgebung eine Rolle spielte...

     

     

     
  • thewisemansfear 8:49 pm am May 4, 2014 Permalink
    Tags: Diversifizierung, , Herbert Walter, Ideologie, komplexe Systeme, Konsensfalle, Kritik, Meinungsbildung   

    In der Konsensfalle – eine Lehrstunde über Mehrheitsmeinung, Immunisierung gegen Kritik und dessen Folgen 

    Bewogen zum Schreiben dieser Zeilen hat mich folgende Kolumne im Handelsblatt – „Die Konsensfalle der Experten“ von Herbert Walter. Es geht darin anfänglich über die Rolle der FED und der Experten in ihrem Dunstkreis, die die Finanzkrise 2007 nicht vorhergesehen haben.

    „Drei Soziologen der Universität Berkeley in Kalifornien sind daran gegangen, dieses Rätsel zu lösen. Sie haben sich die Protokolle des Offenmarkt-Ausschusses der US-Notenbank Fed vorgenommen, die jeweils nach Ablauf von fünf Jahren frei gegeben  werden. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben sie kürzlich veröffentlicht.
    Die sind wirklich erhellend. Die Wissenschaftler zeigen detailliert, dass die Fed-Führung sich noch bis Ende 2007 vornehmlich um Inflationsraten, Beschäftigungsquoten und die Defizite im Staatshaushalt sowie der Leistungsbilanz sorgte. Diese volkswirtschaftlichen Größen hatten aber rein gar nichts mit der heraufziehenden Krise zu tun.“

    Business as usual also bis die Krise dann mit voller Wucht zu schlug. Die Soziologen wundert es nicht, wird das Experten-Gremium doch von Menschen besetzt, die stark auf Gruppen-Konsens setzen. Andersdenkende von vornherein nicht erwünscht, gegensätzlicher (um nicht zu sagen: inhaltlicher) Auseinandersetzung wird so aus dem Weg gegangen.

    „So sitzen im Offenmarkt-Ausschuss der Fed fast ausschließlich Volkswirte, die ihre beruflichen Erfahrungen in Ministerien, Behörden oder an der Universität gemacht haben. Die denken daher zwangsläufig in makroökonomischen Kategorien und sie pressen die Realität in mathematische Modelle, die immer darauf hinauslaufen,  ein irgendwie geartetes Gleichgewicht herzustellen.
    Folgerichtig analysierten die Notenbanker zum Beispiel die Auswirkungen des US-Immobilienmarktes auf die Bauwirtschaft, die Hausgerätehersteller und das Maklergewerbe. Das alles lässt sich sehr schön berechnen.
    Die Verbindungen zwischen dem Immobilienmarkt, dem Markt für Subprime-Hypotheken und den „kreativen Finanzlösungen“ zur Umverteilung von Risiken und Erträgen hat die Führung der Fed dagegen lange nicht erkannt. Dafür gab und gibt es keine Formeln. Genau diese Verflechtungen haben aber dazu geführt, dass aus der US-Subprime-Krise eine globale Finanzkrise wurde.“

    Hier kommen gleich mehrere wichtige Kritikpunkte zusammen:

    • gleichgeschaltetes Denken, bedingt durch ähnliche Ausbildung oder beruflichen Werdegang
    • das Rechnen mit Modellen, denen eine komplexe Realität zugrunde liegt, mit der Annahme eines sich automatisch einstellenden Gleichgewichts. Mit soviel Freiraum bei der Modellgestaltung und realitätsfernen Annahmen würde ich vielleicht auch eins zusammenschustern und mathematisch beweisen können, dass Weihnachten und Ostern auf denselben Tag fallen…
    • mit bestechender mathematischer Logik lässt sich alles und auch wieder nichts beweisen, auf das zugrunde gelegte Modell und die Übereinstimmung mit der Realität kommt es an
    • kein Modell der Welt bildet bislang in irgendeiner Form Unsicherheiten/Unwägbarkeiten ab, sondern man arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten. Das setzt aber voraus, dass ich das Verhalten kenne bzw. vorhersagen kann – was auf eine komplexe Realität niemals zutreffen kann.
    • der Blick aufs Wesentliche wird mitunter verstellt, wenn man zu sehr in eingefahrenen Denkmustern steckt

    © Robert B. Reich

    Gemütlich?/Gefangen? in der ideologischen Blase, die man zuvor erfolgreich um sich gewoben hat. Kritik perlt daran ab, wie Wasser von Lotusblättern.

    „Anhänger einer Mehrheitsmeinung zu sein, ist immer risikoärmer, als eine Minderheitsmeinung zu vertreten. Eine falsche Entscheidung hat für den Einzelnen weniger Folgen, wenn sie von vielen zu verantworten ist. Geteiltes Leid ist halbes Leid, lautet deshalb die bis ins Letzte beachtete Grundregel jedweder Gremienarbeit.
    Expertentum und Konsensbildung gehen offensichtlich eine Symbiose ein, die das Risiko für die Entscheider minimiert, nicht aber Risiken für die von den Entscheidungen betroffenen Menschen.“

    In der Tat liegt es in der menschlichen Natur, Konflikten am liebsten aus dem Weg zu gehen, mit dem Strom zu schwimmen und sich an altbekannten Mustern zu orientieren. Das wird problematisch, wenn sich die Meinungsführer/Experten nicht mehr mit der Realität auseinandersetzen und in ihrer selbst gebastelten Traumwelt leben. Wenn kritische Stimmen unterdrückt werden, dann kann es passieren, dass die Herde eben über die Klippe läuft oder der Schwarm Fische mitunter komplett im Rachen eines Wals verschwindet. Autor Herbert Walter hat das Beispiel der Finanzmärkte gewählt, um die Schädlichkeit von Einheitsmeinungen deutlich zu machen. Das Problem geht aber noch um einiges tiefer.

    Auf Kritiker kann keine Steuerungsinstanz eines komplexen Systems verzichten. Dessen Aufgabe müsste eigentlich sein, zu erkennen, dass sich ein komplexes System nicht zentral managen lässt. Man müsste anfangen zu diversifizieren, Abhängigkeiten verringern, Redundanz einzubauen. Mit jedem Konzentrationsprozess nimmt das systemische Risiko eines Kollaps zu. Das gilt eben nicht nur für die Finanzmärkte. Es kann jeder selbst einmal drüber nachdenken, was für eine Kaskade von Abhängigkeiten mittlerweile allein bei der Nahrungsmittelproduktion besteht. Am Ende heißt es dann – kleine Ursache, große Wirkung. Das Erkennen solcher Probleme und das Suchen und Implementieren von Lösungen wäre normalerweise Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik. Ein „Fahren auf Sicht“, wie es die Regierung betreibt, kann in niemands Interesse sein.

     
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