Glauben ersetzt Denken? 

Die Morgen erscheinende Eurokolumne von Jens Berger in der taz geht auf die Art und Weise ein, wie hierzulande mit Kritikern des „herrschenden“ Systems umgegangen wird. Lanz dient als Paradebeispiel für die abstrusen Versuche, Kritiker eines „Meinungs-Mainstreams“ zu diskreditieren, um sich nicht (wirklich) inhaltlich mit ihnen auseinandersetzen zu müssen.

Und von den Handelsungleichgewichten, die zu den realwirtschaftlichen Auslösern der Eurokrise zählen, will ich hier gar nicht reden. Soll man davor die Augen schließen und das Denken durch den Glauben ersetzen? Dann wäre der Euro ein Glaubensbekenntnis: Ich glaube an die jungfräuliche Geburt, die heilige Dreifaltigkeit und die grundsolide Gemeinschaftswährung. Wer daran Zweifel hegt, ist ein Ketzer und gehört auf den Scheiterhaufen.

„Gut gebrüllt, Löwe!“ möchte man ihm zurufen. Inhaltlich ist daran auch nichts auszusetzen. Nur ersetzen wir mal gedanklich das Thema Euro durch das Wachstums-Dogma. Von diesem Glaubensbekenntnis kommt Herr Berger zusammen mit seinen Mitstreitern auf den Nachdenkseiten auch (noch) nicht los. Kritiker werden abgekanzelt, inhaltliche Diskussionen nicht wirklich geführt. Aber hören wir weiter:

Einer der größten Fehler der Eliten war es stets, den gesunden Menschenverstand des Volkes zu unterschätzen.

In der Tat, gesunder Menschenverstand ist durch nichts zu ersetzen. Mit der Erkenntnis, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen und wir Menschen ERwachsen werden, braucht es schon einen sehr gefestigten Glauben, um weiter unendlichen Wachstumsträumereien anzuhängen. 

Wer kritisches Denken unterbinden will, stärkt damit meist diejenigen, die ohnehin ein gestörtes Verhältnis zum Nachdenken haben.

Auch hier, volle Zustimmung. Jeder hat das Recht, sich eigenständig zu informieren und Gedanken zu machen. Es ist nur frustrierend zu sehen, wie eine Seite, die das Nachdenken bereits im Titel stehen hat, sich selbst so wenig ernst nimmt. Um nicht falsch verstanden zu werden, der gesellschaftliche Beitrag der NDS ist gar nicht hoch genug anzurechnen, nur hängt am Wachstums-Thema einfach zu viel, um quasi stur auf ein „weiter-so“ zu bauen. Überhaupt nur wenn die Verteilungs-Problematik [Einkommen und Vermögen] gelöst wird, kann es nach heutigen Maßstäben weiter aufwärts [sic!] gehen. Nur löst man dadurch nicht die Problematik knapper werdender Ressourcen auf unserer endlichen Welt. Wer sich selbst Denkblockaden verordnet, zieht unter Umständen auch falsche Schlüsse aus der ständig zunehmenden Arbeitsverdichtung und (gefühltem) Stress. Produktivitätsfortschritte kann es nicht bis in alle Ewigkeit weiter geben, alles hat Grenzen. Der Aufwand steigt beständig, aber es wird so getan, als könnte man jedes Jahr ein Schippchen mehr auflegen. Cui bono? Wem nützt es?