Die Glanzleistung der ‚Schwarzen Null‘ 

Deutschlands Vorzeigepolitiker freuen sich über eine Schwarze Null im Staatshaushalt und nach neuesten Zahlen sogar über einen Primärüberschuss von 18 Mrd. €. Wenn das kein Grund zur Freude ist! Wer so lange so effizient und sparsam wirtschaftet, wie die Deutschen es tun, der kann nun endlich die Früchte seiner Anstrengungen bzw. Entbehrungen einfahren.

Doch Moment! Werfen wir im Überschwang der Gefühle doch mal einen Blick „unter die Haube“. Mal schauen, was wir da alles zutage fördern:

Dfinazsaldojan15A1728

Die Sektorkonten der Deutschen Volkswirtschaft, einmal aufgeteilt in In- und Auslandsanteil und weiter unten der Inlandsanteil noch feiner aufgegliedert (Quelle). Deutschland feiert sich nun mal als Export- und Überschussweltmeister, d.h. „es“ nimmt netto mehr ein als „es“ ausgibt. Der Warenstrom (inkl. Dienstleistungen) nach außen ist größer als der ins Land hinein. Freuen tut das die hiesigen Exportunternehmen, die nicht nur die Einkommen der eigenen -, sondern auch das der ausländischen Bevölkerung als Umsatzquelle anzapfen. Deutschland saugt sich so bildlich gesprochen mit fremdem Geld voll, nur als Gegenbuchung stehen im Ausland gleich große Schulden gegenüber. Da sich diese Entwicklung über eine längere Zeitspanne fortgesetzt hat, fehlt dort über kurz oder lang Geld zur Tilgung von Krediten und diese fangen an zu platzen. Das bringt Banken in Bedrängnis, deren Eigenkapital wie Schnee in der Sonne dahinschmilzt. Macht ja nichts, muss man halt anfangen Banken zu retten, der Steuerzahler wird’s schon richten. Keiner spricht von der Ursache, geschweige denn langfristigen Abstellmaßnahmen, sondern von alternativlosen Entscheidungen. Aber ich schweife ab.Dfinazsalden-sektorenA1729

In dieser Abbildung sieht man die volkswirtschaftlichen Sektoren mit ihrem jeweiligen Anteil. Man muss eigentlich nur wissen, dass alles zusammenaddiert zu jedem Zeitpunkt NULL ergibt. Das ist übrigens die einzige Null, die zählt. Privathaushalte, Unternehmen UND seit Kurzem wie oben beschrieben auch noch der Staat sparen, den Counterpart übernimmt das Ausland. Es muss einfach klar werden, dass Sparen (=Horten) Neuverschuldung erzwingt, ansonsten wird dem Wirtschaftskreislauf immer weiter Geld entzogen und man befindet sich in einem brachial deflationärem Umfeld wieder. Bevor einige monetaristisch Angehauchte sich bestätigt fühlen, dass das an der sinkenden Geldmenge liegen würde – vergesst es einfach. Deflation entsteht zum Einen durch sinkende Ausgaben (=gesparte Einkommensanteile) oder direkt durch sinkende Einkommen. Was uns zum nächsten Schaubild führt:

Dreallöhne_dez14A1155Die Reallohnentwicklung in Deutschland seit Anfang der 90er. Selbst die positive Entwicklung der letzten paar Jahre kann die Delle davor nur gerade so wieder ausgleichen. Höchst inflationsgefährdetes Umfeld, wenn man mich fragt… Bildet man einen Mittelwert, dann ist die Entwicklung flach wie ein Brett! Und das obwohl die Produktivität im selben Zeitraum erheblich gestiegen ist. Die Kollegen von maskenfall haben die Zeitreihe hier visualisiert. Damit sind wir direkt beim Kernproblem angelangt: Der Verteilungsspielraum der Arbeitnehmerseite wurde politisch gewollt! die ganzen Jahre nicht ausgeschöpft, übrig blieben Unternehmen, die im internationalen Vergleich bei den Lohnstückkosten immer wettbewerbsfähiger wurden und neue Umsätze (v.a. im Ausland) generiert haben. Zu dumm, dass mit eben dieser Entwicklung die Ungleichgewichte auf volkswirtschaftlicher Ebene ebenfalls anschwollen und in einer „Schuldenkrise“ mündeten (Target2 lässt grüßen).

Wer nun behauptet, dass der Euro Schuld an all dem habe und nur wieder rückabgewickelt werden müsse, damit die Probleme verschwänden, der jagt einer Vergangenheit nach, die nicht mehr wieder kommen wird. Keine Frage, dass durch den Euro problematische Entwicklungen verstärkt wurden, z.B. durch die Zinskonvergenz wurden Kredite in einigen Ländern mit der Euro-Einführung unschlagbar günstig (verglichen mit früher). Das ist nicht von der Hand zu weisen. Aber warum das Geld dann über die Grenze fließt und nicht wieder zurück, das ist einem preislichen Wettbewerbsvorteil geschuldet, der wie gesagt politisch durchgedrückt wurde. Da kann man die „Unabhängigkeit der Tarifpartner“ wie einen Schild vor sich hertragen, ohne politischen Willen hat die Arbeitnehmerseite in der Vergangenheit nicht auf ihren gerechte Anteil verzichtet – und ohne entsprechenden Willen lässt sich dieses Rad auch nicht wieder zurückdrehen. Aber selbst dafür fehlt bei den Entscheidern die Einsicht (siehe vorangegangenen Beitrag).

Friederike Spieker hat auf flassbeck-economics letzte Woche einen wichtigen Satz gesagt:

„Wer aber argumentiert, er persönlich könne doch nichts für diese deutschen Überschüsse, da er ja niemanden zwinge, deutsche Waren zu kaufen, er wisse ja nicht einmal, womit die deutschen Waren von wem bezahlt würden, der sollte dieses Argument auch in umgekehrter Richtung voll und ganz gelten lassen: Ein griechischer Bürger kann nämlich auch nichts dafür, dass sein Land insgesamt im Ausland verschuldet ist, weil er nicht wissen geschweige denn steuern kann, wer welche Waren von wem mit welchem Geld oder Kredit kauft.“

Das Fazit kann nur lauten, dass einem Unterbietungswettstreit von vornherein ein Riegel vorgeschoben werden muss. Es geht im Kern immer um preisliche Wettbewerbsfähigkeit, entweder werden klammheimlich (oder auch ganz offen) Währungen abgewertet – oder innerhalb von einer Währungsunion die Löhne gedrückt. Beides ist jeweils politisch motiviert und wirkt in dieselbe Richtung. Wenn verstanden ist, dass ein Unterbietungswettbewerb unsinnig ist, leuchtet hoffentlich auch ein, dass Wirtschaftsräume langfristig nur im Gleichschritt wachsen können. Die Widersprüche beim Wachstumsthema klammere ich an dieser Stelle mal aus.