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  • thewisemansfear 9:00 pm am March 1, 2015 Permalink
    Tags: , Marc Blyth, Paradoxa, , Wettbewerbsfähigkeit   

    Wirtschaftspolitische Paradoxa 

    Was haben alle gescheiterten Theorien / Ideen / Systeme gemeinsam? Sie sind an ihren Widersprüchen gescheitert. Inspiriert zum folgenden Beitrag hat mich Marc Blyth in seinem Weckruf an die alte Tante SPD. Dort stellt er zunächst fest, was Deutschland statt der üblichen Legende „Hartz-Reformen“ wirklich den Vorteil an Wettbewerbsfähigkeit verschaft hat (der uns nach wie vor „Überschüsse“ in ungeahnten Ausmaßen einfahren lässt):

    1. die Deutsche Einheit – der Druck auf die Löhne ausgelöst von einem ca. 10 Millionen großen Heer an Arbeitskräften war gerade im ehemaligen Grenzgebiet enorm.
    2. Outsourcing der (Automobil-)Zulieferer nach Osteuropa (und weiter weg)
    3. Gewerkschaften, die aus Angst vor weiterer Arbeitsplatzverlagerung (und auf politischen Druck hin) vergessen haben, für die Arbeitnehmer einen gerechten Anteil gemessen am Produktivitätszuwachs einzufordern

    Wenn wir also über Wettbewerbsvorteile reden – da kommen sie her. Hartz war noch das Tüpfelchen auf dem i, der Ausbau des Niedriglohnsektors und damit die Subventionierung von Vorleistungen. Er stellt richtigerweise fest, dass die Nachfrage nach Exportartikeln im Importland jeweils als Konsequenz der eigenen Wirtschaft das Wasser abgräbt. Das aber nur am Rande. Weiter im Text stößt man auf folgende Aussage:

    The take home lesson is perhaps then that Germany is only Germany because everyone else is “not Germany.” To try and make everyone a bit more like Germany can only mean the expansion of a poorly paid service sector and the introduction of a minimum wage to compensate. I do not think that’s what structural reform advocates recommend, but it’s where we may end up.

    Die deutsche Wirtschaft hat nur deswegen ihre „herausragende“ Exportstruktur, weil eben die anderen Länder genau nicht wie Deutschland sind. Jeder Versuch einer Angleichung durch dieselben „Reformen“ läuft darauf hinaus, dass die Wettbewerbsvorteile aus Sicht von Deutschland schwinden (und in einer Währungsunion zusätzlich deren Binnenmarkt zerstört wird). Es können eben nicht alle gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, da diese Größe nur eine relativen Vergleich liefert. Es ist paradox von Seiten der Politik zu fordern, dass es andere Länder Deutschland nur gleich tun müssten, und sie würden wieder auf den Erfolgspfad zurückkehren.

    Dasselbe gilt für die Argumentations“logik“ bezüglich Überschuss/Defizit. Es ist sinnentleert, als Gläubiger die Reduzierung des Defizits auf Seiten des Schuldners zu fordern, dies aber gleichzeitig durch Beibehaltung der eigenen Überschüsse zu verunmöglichen. Paradox, aber es hält unsere Politiker nicht davon ab, weiter so zu tun, als ob das eine mit dem anderen nichts zu tun hätte. Man kann es gar nicht oft genug sagen, Überschüsse auf der einen Seite bedingen Defizite an anderer Stelle.

    Als vielleicht wichtigsten Punkt ist aber folgendes Dilemma zu nennen: Je mehr Gehirnschmalz in Produktivitätsfortschritte gesteckt und weitere Automatisierung betrieben wird, desto schneller entzieht man dem aktuellen System „Wirtschaft“ seine Grundlage. Diese ist immer noch Lohnarbeit, d.h. die Lohnempfänger konsumieren die produzierten Güter/Dienstleistungen. Der Spruch von Henry Ford lautete: „Autos kaufen keine Autos“. Er hat mit ordentlichen Lohnsteigerungen bei seinen Mitarbeitern den eigenen Erfolg erst möglich gemacht. Nur Maschinen und Roboter sind zwar hochproduktiv, sind aber keine Lohnempfänger. Man hat im Prinzip zwei gegenläufige Trends, einmal einen riesigen potentiellen Output an Gütern und gleichzeitig eine erodierende Kaufkraft bei der Masse an Leuten. Dazu kommen noch Sättigungseffekte bei den oberen 10%, die selbst in verschwenderischster Manier nur schwer hinterher kämen, ihre Einkommen wieder auszugeben.

    Zu den aufgezählten Widersprüchen kommt noch das Wachstumsdogma hinzu: „Alles wird gut, so lange es nur wieder gelingt, Wirtschaftswachstum zu erzeugen.“ So touren dann selbst Gewerkschaftsbosse durch die Gegend. Da aber auch die die Ressourcenproblematik nicht komplett ausblenden können, diskutiert man bei der IG-Metall mittlerweile über cradle-to-cradle Ansätze. Immerhin, aber selbst bei möglichst ressourcenschonendem Umgang und hoher Recyclingquote stehen noch viele weitere Fragen im Raum. Wie gewöhnt man einer an Erdöl/-gas gewöhnte Gesellschaft möglichst sanft ihren verschwenderischen Lebensstil ab? An dieser Stelle entsteht schon der nächste Widerspruch. Auf nichts verzichten UND umweltschonende Lebensweise ist kaum miteinander zu verheiraten. Nur entziehen wir mit einem „weiter so“ unseren Nachkommen die Lebensgrundlage. Ich bin gespannt, wie es an der Stelle weitergeht, irgendwann muss man sich schließlich der Realität stellen.

     

     
    • guthabenkrise 8:58 pm am März 2, 2015 Permalink | Antworten

      „cradle to cradle“ ist das richtige bild, wohin man die Produktivkräfte des Kapitalismus lenken muss. Braungard schreibt ja, „Wir können(müssen) die ganzen Welt neu erfinden“. Dazu muss man einfach Naturverbrauch statt Arbeit besteuern. Naturverbrauch ist eine Externalität, welche von Marktmechanismen nicht ausreichend erfasst wird. Selbst als ultraliberaler Ökonom könnte man Konzepte dafür befürworten – ich verstehe es einfach nicht, das Ökonmenversagen….

      • thewisemansfear 9:58 pm am März 2, 2015 Permalink | Antworten

        Ja, mit diesen Widersprüchlichkeiten müssen die libs wohl leben… Ultraliberal wäre auch, dass überall auf der Welt gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten würde (Unterschiede gäbe es dann nur noch in Bezug auf die Produktivität). Das, was wir unter Kapitalismus verstehen, funktioniert ja nur unter Ausnutzung von Preisdifferenzen. c2c-Ansätze allein würden die Wirtschaft vollkommen umkrempeln, mit Kapitalismus herkömmlicher Art ist das nicht mehr vereinbar. Genauso wenig wie die Energiewende ins aktuelle Wirtschaftsgeschehen passt. Nachhaltigkeit und Profitstreben passen einfach nicht zusammen.

    • guthabenkrise 3:38 pm am März 3, 2015 Permalink | Antworten

      >>>Nachhaltigkeit und Profitstreben passen einfach nicht zusammen.

      Da bin ich ganz anderer Meinung – die Nachhaltigkeit muss nur profitabel werden und genau dies leistet die Besteuerung von Naturverbrauch statt Arbeit. Die ökologischen Rationalitätenfallen sind auch kein isoliertes Phänomen der Spezies „Unternehmer“. Mit Ideologie und Bürokratie wird man die ökologischen Herausforderungen nicht lösen, vielmehr ist n.m.E. gerade hier die Produktivkraft des Kapitalismus gefragt.

      • thewisemansfear 6:01 pm am März 3, 2015 Permalink | Antworten

        Ja, es wird derzeit verdammt viel externalisiert, so dass eine „Fehlsteuerung“ über die preislichen Anreize vorliegt. Aber Nachhaltigkeit bedeutet ein Bewusstsein der Systemgrenzen, dass man nur so viel extrahieren kann, wie wieder nachwächst/von außen zugeführt wird. Innerhalb dieses Systems dann noch Kapitalakkumulation zu betreiben, ist sinnfrei oder findet nur in der Phantasie statt. Vielleicht fehlt es mir da auch nur an Vorstellungskraft 🙂
        In einem System, was von außen betrachtet im Gleichgewicht ist (so verstehe ich „nachhaltig“), ist der Gewinn an einer Stelle zwingend der Verlust an anderer Stelle. An der einen Stelle baut man etwas auf und dafür geht woanders etwas zugrunde. Das macht schlicht keinen Sinn. Über neue Ideen sind solche Umbrüche nach wie vor wichtig (ähnl. Schumpeters „Kreativer Zerstörung“), aber so sinnentleert wie Wettbewerb gerade stattfindet, kommt man auf keinen grünen Zweig.

    • guthabenkrise 7:13 pm am März 3, 2015 Permalink | Antworten

      >>>ist der Gewinn an einer Stelle zwingend der Verlust an anderer Stelle.
      >>>Vielleicht fehlt es mir da auch nur an Vorstellungskraft

      Da helf ich gern. 🙂

      Der Gewinn ist, weniger Lenkungssteuer zu zahlen, dies ist theoretisch der Verlust des Staates. Aber kann dieser natürlich auch die Steuersätze immer mehr anpassen, was zur Verstärkung der Lenkungswirkung eh erforderlich ist.

      1l Öl sind 10kWh – der Mensch leistet 0,1KW – bedeutet 1l Öl = 100h Menschenarbeit

      bedeutet, nur ein maximal produktives System kann auf die billigen Fossilsklaven verzichten. Und der Kapitalismus leidet an Überproduktivität. deshalb kann man ideal den Ausstieg über Lenkungssteuern steuern – aber eben nur im produktiven Kapitalismus und nicht in einer unproduktiven „Bewusstseinswirtschaft“.

      • thewisemansfear 9:49 pm am März 3, 2015 Permalink | Antworten

        Ja, okay, wir verteilen die notwendige Arbeit auf möglichst alle Köpfe um, indem Produktivität insgesamt reduziert wird. D.h. die Hochproduktiven genießen einfach mehr Freizeit oder die Umweltbedingungen erzwingen es, dass die Maschinen still stehen.
        Ich erkenne nur noch nicht, wo das den o.g. Zusammenhang „widerlegt“. Wo ist das Nullsummenspiel von Gewinn und Verlust aufgehoben, bzw. wo ist der Sinn darin? Die einen erwirtschaften „Mehrwert“ und bekommen den anschließend wieder wegbesteuert, damit es nicht erneut zu Konzentrationsprozessen kommt. Wo zieht man die Grenze?
        Die jetzige Spielanordnung taugt da m.E. nicht mehr.

    • guthabenkrise 10:21 pm am März 3, 2015 Permalink | Antworten

      >>Wo ist das Nullsummenspiel von Gewinn und Verlust aufgehoben,

      Bei den Sachwerten – das Nettovolksvermögen ist identisch mit Zuwachs an Sachvermögen.

      Aber was ist der Sinn des Wirtschaftens?

      Für die Deutschen das Sammeln von Ansprüchen auf Gegenleistung als Kompensation von Angst?
      🙂 😦

      also Geldvermögen = einem gesamtwirtschaftlichen Nullwert – wir verarmen am „Nullwertsparen“

      Wirtschaften ist Bedürfnisbefriedigung und gegen die Angst hilft nur eine blümsche Sozialversicherung.
      Und wenn man Markt STEUERert statt ihn zu zerstören, geht dies alles locker zu finanzieren.

      Die zu steuernden Dinge sind recht trivial, Naturverbrauch und sonstige Externalitäten, Marktvermachtung und den Angebotszwang des Arbeitnehmers aus „Urschuld“. Dass man dies alles nicht macht hat immer wieder durchaus zutreffendes argument: „dann würde zu wenig investiert“.

      Deshalb ist eine Guthabenbremse = Investitionsautomatik die „Mutter aller Reformen“ des Kapitalismus.

      dann könnte man z.B. solche Dinge machen:
      http://www.steuerndes-grundeinkommen.de

  • thewisemansfear 11:29 pm am February 24, 2015 Permalink
    Tags: , , Saldenmechanik, , , Wettbewerbsfähigkeit   

    Die Glanzleistung der ‚Schwarzen Null‘ 

    Deutschlands Vorzeigepolitiker freuen sich über eine Schwarze Null im Staatshaushalt und nach neuesten Zahlen sogar über einen Primärüberschuss von 18 Mrd. €. Wenn das kein Grund zur Freude ist! Wer so lange so effizient und sparsam wirtschaftet, wie die Deutschen es tun, der kann nun endlich die Früchte seiner Anstrengungen bzw. Entbehrungen einfahren.

    Doch Moment! Werfen wir im Überschwang der Gefühle doch mal einen Blick „unter die Haube“. Mal schauen, was wir da alles zutage fördern:

    Dfinazsaldojan15A1728

    Die Sektorkonten der Deutschen Volkswirtschaft, einmal aufgeteilt in In- und Auslandsanteil und weiter unten der Inlandsanteil noch feiner aufgegliedert (Quelle). Deutschland feiert sich nun mal als Export- und Überschussweltmeister, d.h. „es“ nimmt netto mehr ein als „es“ ausgibt. Der Warenstrom (inkl. Dienstleistungen) nach außen ist größer als der ins Land hinein. Freuen tut das die hiesigen Exportunternehmen, die nicht nur die Einkommen der eigenen -, sondern auch das der ausländischen Bevölkerung als Umsatzquelle anzapfen. Deutschland saugt sich so bildlich gesprochen mit fremdem Geld voll, nur als Gegenbuchung stehen im Ausland gleich große Schulden gegenüber. Da sich diese Entwicklung über eine längere Zeitspanne fortgesetzt hat, fehlt dort über kurz oder lang Geld zur Tilgung von Krediten und diese fangen an zu platzen. Das bringt Banken in Bedrängnis, deren Eigenkapital wie Schnee in der Sonne dahinschmilzt. Macht ja nichts, muss man halt anfangen Banken zu retten, der Steuerzahler wird’s schon richten. Keiner spricht von der Ursache, geschweige denn langfristigen Abstellmaßnahmen, sondern von alternativlosen Entscheidungen. Aber ich schweife ab.Dfinazsalden-sektorenA1729

    In dieser Abbildung sieht man die volkswirtschaftlichen Sektoren mit ihrem jeweiligen Anteil. Man muss eigentlich nur wissen, dass alles zusammenaddiert zu jedem Zeitpunkt NULL ergibt. Das ist übrigens die einzige Null, die zählt. Privathaushalte, Unternehmen UND seit Kurzem wie oben beschrieben auch noch der Staat sparen, den Counterpart übernimmt das Ausland. Es muss einfach klar werden, dass Sparen (=Horten) Neuverschuldung erzwingt, ansonsten wird dem Wirtschaftskreislauf immer weiter Geld entzogen und man befindet sich in einem brachial deflationärem Umfeld wieder. Bevor einige monetaristisch Angehauchte sich bestätigt fühlen, dass das an der sinkenden Geldmenge liegen würde – vergesst es einfach. Deflation entsteht zum Einen durch sinkende Ausgaben (=gesparte Einkommensanteile) oder direkt durch sinkende Einkommen. Was uns zum nächsten Schaubild führt:

    Dreallöhne_dez14A1155Die Reallohnentwicklung in Deutschland seit Anfang der 90er. Selbst die positive Entwicklung der letzten paar Jahre kann die Delle davor nur gerade so wieder ausgleichen. Höchst inflationsgefährdetes Umfeld, wenn man mich fragt… Bildet man einen Mittelwert, dann ist die Entwicklung flach wie ein Brett! Und das obwohl die Produktivität im selben Zeitraum erheblich gestiegen ist. Die Kollegen von maskenfall haben die Zeitreihe hier visualisiert. Damit sind wir direkt beim Kernproblem angelangt: Der Verteilungsspielraum der Arbeitnehmerseite wurde politisch gewollt! die ganzen Jahre nicht ausgeschöpft, übrig blieben Unternehmen, die im internationalen Vergleich bei den Lohnstückkosten immer wettbewerbsfähiger wurden und neue Umsätze (v.a. im Ausland) generiert haben. Zu dumm, dass mit eben dieser Entwicklung die Ungleichgewichte auf volkswirtschaftlicher Ebene ebenfalls anschwollen und in einer „Schuldenkrise“ mündeten (Target2 lässt grüßen).

    Wer nun behauptet, dass der Euro Schuld an all dem habe und nur wieder rückabgewickelt werden müsse, damit die Probleme verschwänden, der jagt einer Vergangenheit nach, die nicht mehr wieder kommen wird. Keine Frage, dass durch den Euro problematische Entwicklungen verstärkt wurden, z.B. durch die Zinskonvergenz wurden Kredite in einigen Ländern mit der Euro-Einführung unschlagbar günstig (verglichen mit früher). Das ist nicht von der Hand zu weisen. Aber warum das Geld dann über die Grenze fließt und nicht wieder zurück, das ist einem preislichen Wettbewerbsvorteil geschuldet, der wie gesagt politisch durchgedrückt wurde. Da kann man die „Unabhängigkeit der Tarifpartner“ wie einen Schild vor sich hertragen, ohne politischen Willen hat die Arbeitnehmerseite in der Vergangenheit nicht auf ihren gerechte Anteil verzichtet – und ohne entsprechenden Willen lässt sich dieses Rad auch nicht wieder zurückdrehen. Aber selbst dafür fehlt bei den Entscheidern die Einsicht (siehe vorangegangenen Beitrag).

    Friederike Spieker hat auf flassbeck-economics letzte Woche einen wichtigen Satz gesagt:

    „Wer aber argumentiert, er persönlich könne doch nichts für diese deutschen Überschüsse, da er ja niemanden zwinge, deutsche Waren zu kaufen, er wisse ja nicht einmal, womit die deutschen Waren von wem bezahlt würden, der sollte dieses Argument auch in umgekehrter Richtung voll und ganz gelten lassen: Ein griechischer Bürger kann nämlich auch nichts dafür, dass sein Land insgesamt im Ausland verschuldet ist, weil er nicht wissen geschweige denn steuern kann, wer welche Waren von wem mit welchem Geld oder Kredit kauft.“

    Das Fazit kann nur lauten, dass einem Unterbietungswettstreit von vornherein ein Riegel vorgeschoben werden muss. Es geht im Kern immer um preisliche Wettbewerbsfähigkeit, entweder werden klammheimlich (oder auch ganz offen) Währungen abgewertet – oder innerhalb von einer Währungsunion die Löhne gedrückt. Beides ist jeweils politisch motiviert und wirkt in dieselbe Richtung. Wenn verstanden ist, dass ein Unterbietungswettbewerb unsinnig ist, leuchtet hoffentlich auch ein, dass Wirtschaftsräume langfristig nur im Gleichschritt wachsen können. Die Widersprüche beim Wachstumsthema klammere ich an dieser Stelle mal aus.

     
  • thewisemansfear 12:51 pm am May 20, 2014 Permalink
    Tags: , BIP, , Einzelhandel, Leistungsbilanz, , querschüsse, Wechselkurs, Wettbewerbsfähigkeit   

    Deutschland, dein Wirtschaftsmodell ist… KRANK 

    Um das zu untermauern, gibt es diese wunderbaren Visualisierungen aus dem Querschuesse-Blog. Fangen wir an mit der Leistungsbilanz. Die erste Grafik zeigt diese auf Monatsbasis, d.h. jeden Monat kommt der angegebene Beitrag oben drauf! Wie wir wissen, summieren sich auf der Welt die Leistungsbilanzsalden allesamt auf NULL, d.h. des Einen Überschüsse sind des Anderen Defizite.

     

    dland_Lbil_monatl1a194

    Quelle und ©: http://www.querschuesse.de/deutschland-zahlungsbilanz-maerz-2014/

     

    Ein wahres Feuerwerk, was hier seit 2001/02 abgebrannt wird. Sehr schön zu sehen ist hier die Tendenz nach oben Ende der 80er, die dann mit der Wiedervereinigung Deutschlands ein jähes Ende fand. Hier geht es wie gesagt nur um den Außenhandel.

    Sehr eindrucksvoll zeigt die folgende Grafik, dass die Leistungsbilanzüberschüsse mit einem beständigen Kapitalabfluss Richtung Ausland in gleicher Höhe einher gehen. Die 1.800 Milliarden Euro Marke hätten wir mittlerweile geknackt, wenn das kein Grund ist, die Sektkorken knallen zu lassen!

    Ähm, was? Wie das zusammenpasst? Na wir exportieren mehr Waren / Dienstleistungen als wir importieren, verdeutlicht in der folgenden Grafik unten. Der Kapitalabfluss bedeutet den Export des nötigen Kleingelds gleich noch mit, damit sich die Kundschaft den Kram auch kaufen kann. Tolles Konzept, oder?

    dland_exp_ipm1a92

    Quelle und ©: http://www.querschuesse.de/deutschland-aussenhandel-maerz-2014/

    Wie kann es aber überhaupt zu solchen Ungleichgewichten, oder sagen wir besser: Verwerfungen kommen? Damit wären wir beim Thema Wettbewerbsfähigkeit. Etwas, das sich aus Produktivität, Arbeitskosten (man sagt dazu auch Lohnstückkosten), allgemeinem Preisniveau, etc. zusammensetzt. Die Qualität wird auch immer wieder gern angeführt, aber auch die wird letztlich preislich eingerechnet.

    Ein Staat mit eigener Währung kann nun über Auf- bzw. Abwertung einen Ausgleich der Handelsungleichgewichte (über die Preisschiene) herbeiführen. In einer Währungsunion ist das für die beteiligten Länder keine Option mehr. Man muss in einer solchen Situation andere Wege eines Ausgleichs finden, Vertrauen auf das sich von selbst einstellende Marktgleichgewicht (sic!) ist unangebracht. Schauen wir uns die realen effektiven Wechselkurse an (normiert auf den BIP-Deflator):

    reale_wk_bipdeflator1a185

    Quelle und ©: http://www.querschuesse.de/euroland-reale-effektive-wechselkurse/

     

    Whoops! Die Entwicklung Frankreichs deckt sich übrigens voll mit der Zielsetzung aller Länder, die ursprünglich eine Steigerung des allgemeinen Preisniveaus von 1,9% vereinbart hatten. Die Südstaaten schießen über das Ziel hinaus und sind nun dabei, die Fehlentwicklung über Lohnanpassungen und anderweitige Kürzungsorgien zu korrigieren. Sowohl ein im Vergleich zu niedriges Zinsniveau und zu schnell steigende Löhne haben zu dieser Entwicklung geführt.

    Gesucht wird der Elefant im Raum, der von sich behauptet, alles richtig gemacht zu haben und dass sich der Rest an ihm zu orientieren habe. Angesichts der erdrückenden Faktenlage eine schon fast irre anmutende Selbsteinschätzung. Deutschland unterbietet den Rest, aber anstatt eines Entgegenkommens perlt Kritik an den verantwortlichen Betonschädeln einfach ab. Kritikresistenz durch dogmatisches Denken hatten wir hier erst, ist leider ein ernst zu nehmender Faktor bei der Diskussion.

    Zum Abschluss noch ein kleines Schmankerl mit einer Betrachtung der Binnenwirtschaft, genau genommen des Einzelhandels. Wer sich politisch motiviert in Lohnzurückhaltung übt, braucht sich über eine solche Entwicklung nicht zu wundern. Deutschland verharrt hier seit Jahren auf demselben Niveau (bei den Reallöhnen sieht es genauso aus), während es in Frankreich längerfristig beständig aufwärts geht.

     

    In Südeuropa ging es bis zum Ausbruch der Finanzkrise ebenfalls aufwärts, doch hier wurde der Überschwang beendet. Das sind wie gesagt nur die Folgen der gewünschten Angleichung des Preisniveaus an das deutsche internationale Niveau. Die sonstigen Auswirkungen wie Massenarbeitsloskeit und Verelendung/Ausgrenzung breiter Bevölkerungsteile sollte man sich ebenfalls gut vor Augen halten.

    Wenn Deutschland meint, auch Frankreich dieselbe „Kur“ aufdrücken zu können, wird es … sagen wir mal … interessant. Welchen Vorwurf wollte man Frankreich machen?! Die realen effektiven Wechselkurse als Vergleichswert auf internationaler Ebene zeigen es eindeutig im vereinbarungsgemäßen Soll, der Elefant im Raum wird mit seinen Dickschädel aber weiter argumentieren, dass eine Steigerung des Preisniveaus nur über einen Verlust an nicht hinnehmbarer Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen sei. Das ist sogar bis auf das Kursive korrekt, aber nur innerhalb der Währungsunion – und das ist im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens absolut notwendig. Dauerhaft unterbieten, manche nennen es „Lohndumping“, funktioniert nicht. Der Ausgleich muss – und er wird kommen. Entweder hart und mit einschneidenen Konsequenzen (Abschreibung uneinbringbarer Forderungen) oder einer gewollten Angleichung der Niveaus Schritt für Schritt.

    Ach ja, nach außen gibt es nach wie vor das Steuerungselement einer eigenen Währung. Dieses Instrument ist aber nur wirkungsvoll einsetzbar, wenn die internen Ungleichgewichte minimiert/ausgeräumt sind. Vergessen wir nicht, dass die Eurozone mittlerweile als Ganzes Exportüberschüsse „erwirtschaftet“. Hier zeichnet sich das gleiche Spiel ab, das Deutschland mit seinen Handelspartnern getrieben hat. Bei einem internationalen Währungskrieg verlieren aber, wie das bei „race to the bottom“-Spielen üblich ist, am Ende alle Beteiligten.

     
    • Der Malachit 8:50 am am Mai 26, 2014 Permalink | Antworten

      Sehr informativer Beitrag. Die entscheidende Frage ist allerdings, welche persönlichen Konsequenzen wir daraus ziehen können. Und zwar jetzt sofort und nicht erst, wenn die deutsche Karre im Dreck stecken bleibt.

      • thewisemansfear 7:37 pm am Mai 27, 2014 Permalink | Antworten

        Danke für die Blumen. Ohne das Zusammentragen und Visualisieren wäre das nicht halb so informativ – von daher gebührt den querschüssen der größte Anteil daran.

        Einen einfachen Lösungsweg gibt es nicht, hier kulminiert gerade eine Systemkrise. Dieses ganze Schauspiel ist nur Teil davon: ein Land (bzw. seine Steuermänner und -frauen), welches denkt, seine Politik hätte keine Auswirkungen auf den Rest der Welt. Da haben die Marktradikalen ganze Arbeit geleistet, egoistisches Denken verbunden mit realitätsleugnendem Starrsinn.

        Die alten Dogmen sind ausgelutscht und zerbröseln bei genauerem Hinsehen: „Wir müssen nur alle wieder auf Wachstumskurs!“ (sic!) Ja, wohin denn noch? Wie viel ist genug? sollte vielmehr die Debatten dieser Tage bestimmen.

        Interdisziplinärer Austausch und Zusammenarbeit sind überhaupt erst Voraussetzung zum Erkennen der Problemstellen. Gebt den Ökonomen doch mal ein paar Physiker an die Hand, die können den dann erklären, dass schon der Erhalt eines komplexen Systems ständig neue Energie verschlingt. Nein, das kann das Verbrennen fossiler Energieträger auf Dauer nicht leisten…
        Dann braucht es noch ein paar Soziologen, Psychologen, Antropologen, um den Ökonomen klar zu machen, dass die Annahmen, auf denen ihre Modelle beruhen, nicht mit der Realität in Einklang zu bringen sind.
        Eine echte Zielsetzung außer einem „immer mehr“ wäre auch nicht verkehrt…

        Konkret kann man als Einzelner nur sein Umfeld versuchen aufzuklären. Hinterfragen und kritisieren, wo man ideologische Dogmen erkennt. Man versucht ja gerade, die Leute in die Resignation zu treiben. Leider mit allzu großem Erfolg.

        Hier noch der Hinweis auf einen Beitrag von H. Flassbeck zum Themenkomplex Europa/Euro: http://www.flassbeck-economics.de/europawahl-seht-die-zeichen-an-der-wand/

    • Der Malachit 11:51 am am Mai 28, 2014 Permalink | Antworten

      Du schreibst: “Wir müssen nur alle wieder auf Wachstumskurs!” … und weist nach, dass es dieses ewige Wachstum nicht geben kann.
      Das ist richtig, wenn man das System als abgeschlossenes System betrachtet und das System als solches in ein unendlich großes Zeitfenster stellt.
      Die gesellschaftliche Entwicklung zeigt aber, dass das Zeitfenster für jedes System ein begrenztes ist. d.h. Jedes System wird durch ein neues System abgelöst, da es sich als System nicht selbst reformieren kann.
      Als das Römische Reich seinen durch Sklaven aufgebrachten Energiebedarf nicht mehr decken konnte, zerfiel es. Der Aufwand für die Armee, die zur Herbeischaffung immer neuer Sklaven aus neu eroberten Gebieten erforderlich war, konnte nicht mehr erbracht werden. Folge s.o. .
      Als die Eurozone seinen durch Wirtschaftswachstum aufgebrachten Energiebedarf nicht mehr ….. .
      Aber so weit ist es noch nicht, denn der Aufwand für die Angliederung weiterer Staaten an den Euroraum kann momentan noch erbracht werden. Die Osterweiterung ist noch nicht abgeschlossen. Moldavien, Ukraine, Georgien, Armenien, Usbekistan, in Aserbaitschan gibt es neues Öl. Da geht im Moment noch was. Doch wenn der wirtschaftliche Aufwand zu groß wird, dann … .
      Wann das passiert und wie das neue System dann aussieht, weiß keiner. Aber dass es so kommen wird schon.
      Der Malachit.

      • thewisemansfear 12:39 pm am Mai 28, 2014 Permalink | Antworten

        Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, hier über die EU-Außenpolitik zu spekulieren.
        (Versuchte) Machtausweitung zur Sicherung von Ressourcen sieht man auf der ganzen Welt. Wer die Konflikte analysiert, egal ob aktuell oder vergangen, wird immer ein ähnliches Muster vorfinden.
        Man kann das Spiel natürlich so lange treiben, bis es unökonomisch wird. Immer weiter expandieren, neue Vorkommen erschließen, usw. Wenn dabei allerdings unser aller langfristige Lebensgrundlagen in Mitleidenschaft gezogen werden, läuft das auf sich zuspitzende Generationenkonflikte hinaus. Der einzige energetische Systeminput kommt von der Sonne. Wenn alles andere verbrannt ist, bleibt nur diese Ressource übrig. Werde das mal als einen der kommenden Beiträge aufgreifen und konkretisieren.

        • Der Malachit 10:13 am am Mai 29, 2014 Permalink

          Das wäre eine echte wissenschaftliche Herausforderung. Ich hatte meinen Kommentar nur auf die Entwicklungen gesellschaftlicher Systeme bezogen und nur zwei Beispiele betrachtet. Es gibt da auch noch mehr.

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