Warum die Eurozone zur Transferunion wird

These: Deutschlands Wirtschaftspolitik der dauerhaften Überschüsse ist der Grund, warum die Eurozone sich in eine Transferunion wandeln muss.

Begründung: Leistungsbilanzüberschüsse (Dauerhafte erst recht) erzwingen (aufgrund formaler Logik) ein entsprechend hohes Defizit an anderer Stelle. Das zehrt so lange an der Substanz des Defizitärs, bis im Grunde nichts mehr übrig ist. Das ist auf Staatenebene ebenso wenig sinnvoll und wünschenswert wie auf Bundesländer-Ebene und darunter. Damit es weiter „rund läuft“ benötigt es einen Ausgleich. Wer dies als Solidaritäts-Duselei oder ähnliches abtun möchte, argumentiert im Prinzip mit dem egoistischen Recht des Stärkeren. In den Medien werden sehr viele Vorurteile bedient, die darauf aufbauen. Dabei findet sich Merkantilismus all das wieder: da werden die Nachbarn ausgebeutet was das Zeug hält und eigene Wirtschaft „geschützt“.

Warum dauerhafte Überschüsse nicht funktionieren können und (un)mittelbar zu einen Ausgleich führen müssen, lässt sich aus meiner Sicht gut anhand von Stromproduktion und -verbrauch verdeutlichen. Man verzeihe mir die unsaubere Wortwahl, genaugenommen wird Strom natürlich nicht „produziert“, sondern Energie in eine für uns nutzbare Form umgewandelt. Am Ende einer oder mehrerer elektro-mechanischer Umwandlungen (Maschinenantrieb oder bei digitalen Gadgets) existiert diese Energie nur noch als nicht mehr nutzbare Abwärme.

Beim Strom weiß mittlerweile auch der technische Laie, dass „Produktion“ und „Verbrauch“ zusammenfallen müssen, d.h. wenn der Wind ordentlich bläst und die Sonne richtig scheint, muss der Strom irgendwie zum Verbraucher geleitet werden. Das gilt für die konventionelle Kraftwerke genauso. Man kann die anfallenden Mengen schlicht nicht vernünftig zwischenspeichern.

Zentral an einen Fleck lauter AKWs oder auch PV- und Windanlagen zu bauen, wird konsequenterweise als unsinnig erachtet. Egal, wie viel Strom“überschuss“ dort anfiele, ohne Leitungen (Transfers!) bekommt man den Strom von dort nicht weg. Kann aber auch sein, dass die Nachbarn den partout nicht wollen, dann muss man die Kraftwerke entweder schnell genug runterregeln oder es rummst relativ großflächig. Bei ansteigender Spannung und eventuell auch Frequenz sind irgendwann die Betriebsgrenzen ziemlich vieler Geräte erreicht, die hauchen dann nach und nach ihr Leben aus.

Jede Region hat einen auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmten Bedarf und dementsprechend eine darauf zugeschnittene Produktion. Überschüsse kann es prinzipbedingt mangels Speicherung nicht geben. Der eigentliche Energiespeicher ist ja letztlich Kohle, Öl oder Gas. Wenn dieser umgewandelt (verbrannt) wird, entsteht eine für diesen begrenzten Zeitraum nutzbare Energieform. Strom zwischenzuspeichern ist bislang nur in begrenzter Form möglich (elektro-chemisch). Das Ende der Fahnenstange in der Entwicklung ist da wohl noch nicht erreicht, aber der Knackpunkt ist ein anderer:

Es geht um die monetären Überschüsse, die Deutschland weiter und weiter anhäuft. Man tut dies hierzulande, weil man glaubt bzw. eingeredet bekommt, dass diese für die Zukunft gespeichert („gespart“) und später abrufbar wären. Dass diese Sichtweise falsch ist, wurde u.a. im Mackenroth-Theorem beschrieben. Auf volkswirtschaftlicher Ebene kann es kein monetäres „Sparen“ geben, da sämtliche Bedarfe aus dem existierenden Kapitalstock bedient werden. Deutschland insgesamt saugt nach wie vor Kapital aus dem Ausland ab und gleichzeitig drückt die hiesige Politik dort weiter ihr Austeritäts-Dogma durch. Zu blöd, dass dadurch die Deindustrialisierung voranschreitet und der Kapitalstock verkümmert… Ja, genau der, von dem die monetären „Ersparnisse“ später wieder in „Leistung“ eingelöst werden sollen. Wofür hat man auch sonst Leistung gegen monetäre Ansprüche erbracht bzw. „eingetauscht“?

Wer Widersprüche erkennt, sollte diese vielleicht an seinen Bundestagsabgeordneten, Zeitungsredakteur seines Vertrauens oder auch seinem Nachbarn berichten. Vielleicht hilft das der (Un-)Logik auf die Sprünge. Ohne Ausgleich geht es nicht, weder mit Strom noch mit Geld. Wenn ich daran denke, dass die ganze Privatvorsorge-Milchmädchenrechnung letztlich ohne den Wirt gemacht ist…


Nachtrag: Bei sehr vielen Dingen im (wirtschaftlichen) Tun und Handeln geht es darum, wie man „Ersparnis“ bildet, von der man in „mageren Zeiten“ oder am Lebensabend zehren kann. Dieses Denken führt aber gesamtwirtschaftlich gesehen in die Irre…
Landwirten früher lag das noch im Blut: die Ernte musste mit genug Überschüssen eingefahren werden, um über den Winter zu kommen. So ist es bei Lebensmitteln auch heute noch, nur gibt es vielfältige Wege der Zwischenspeicherung in Form von Kühlhäusern, ganze Gewächshäuser unter Kunstlicht/Heizung oder gleich in anderen Breitengraden. Alles eine Frage der zur Verfügung stehenden Energie, z.B. für den Transport. Mit dieser Abhängigkeit vor Augen, sollte man immer mal wieder prüfen, wie nachhaltig dieses System funktioniert, erst recht wenn es unter Stress gerät.


tl;dr: Ohne vernünftigen Speicher kann keine „Ersparnis“ gebildet werden. Geld ist was das angeht gerade *kein* Wertaufbewahrungsmittel für die breite Masse. Hier kommt das nächste Paradoxon zum Tragen: sparen alle/genügend viele Geld, geht der Schuss genau nach hinten los.