Medial gesteuerte Stimmungsmache gegen Varoufakis

Es ist geradezu köstlich, einmal live und in Farbe zu erleben, wie die mediale Maschinerie arbeitet.

Man nehme einen griechischen Finanzminister, der mit seinen Kollegen in Riga noch nicht ganz auf einer Wellenlänge scheint (mal ganz vorsichtig ausgedrückt). Inhaltliche Diskussion anscheinend nicht möglich bzw. unerwünscht. Man schreibt von seiner Isolation, u.a. bei

Reuters: Der einsame Weg des Yanis Varoufakis im Schuldenstreit    Auszug:

„Er ist völlig isoliert“, sagt ein hochrangiger Vertreter der Euro-Zone später über Varoufakis. Diese Isolation ist den ganzen Tag spürbar, bis der Minister am Abend allein zur Brücke am Fluss spaziert. Es ist ein weiter Weg über die Düna. Ein kalter Wind weht.

Ich bin ehrlich gesagt überrascht, wie „hübsch verpackt“ eine Nachrichtenagentur Inhalte (so es sie denn gibt) verpacken kann. Ganz großes Kino. Natürlich wird das von den Sprachrohren, die mehr und mehr zu reinen Verstärkern verkommen (oder es bereits sind), begierig aufgegriffen. Mittlerweile sind die Meldungen in zig Blättern voll davon. Welt, FR-Online, etc & pp, alle mit nahezu gleichlautendem Wortlaut diese „Inhalte“ wiederkäuend.

Am heutigen Sonntag schreibt dann Antonis Karakousis, ein Leitartikler (Chefredakteur?) der griechischen Zeitung „To Vima“ einen Kommentar mit dem Titel „Revelations for Varoufakis“ – zu deutsch: „Enthüllungen zu Varoufakis“.

Darin äußert er sich über die angespannte Situation und streut das Gerücht über Varoufakis womöglich bevorstehenden Abgang:

„It is no coincidence that since Friday afternoon there have been rumours circulating in Athens from the government itself, regarding his replacement.“

Regierungskreise, näher benennt er seine Quelle nicht.

Was machen nun unsere deutschen Qualitätsmedien daraus? DPA hat zumindest flugs eine Ticker-Meldung daraus fabriziert:

DPA: Zeitung: Gerüchte über baldigen Rauswurf von Varoufakis

DAS ist natürlich zusammen mit der Isolations-Vorgeschichte vom Freitag/Samstag ein gefundenes Fressen für die Sprachrohr-Medien. Weil es so gut passt, bastelt WIWO das Rausschmiss-Gerücht gleich mit dem Isolations-Artikel zusammen. Wow, liest sich das gut. Unhaltbar der Mann, den Eindruck könnten unbedarfte Leser gewinnen. Den nötigen Nachdruck verleiht die Story dem Verbreiten über alle möglichen Ticker. Aber was einmal über die Agentur oben ins mediale Verwurstungssystem eingekippt wurde, wird über alle verfügbaren Sprachrohre rausgepustet.

Wenn es alle berichten, dann muss doch da was dran sein? Auch wenn später wieder zurückgerudert wird, das Dementi wird jedenfalls nicht mit demselben Elan verbreitet werden, da bin ich mir sehr sicher.

Und all das aufgrund von Finanzministern, die einem anders Denkenden nicht zuhören können/wollen, also im Kern nicht konfliktfähig scheinen, und einem Kommentatoren, der ein Gerücht unbekannter Quelle in die Welt setzt. Worin genau die inhaltlichen Differenzen mit den Minister-Kollegen bestehen? Erfährt man nicht. Varoufakis hat seine Hausaufgaben nicht gemacht, basta! Auf der großen Brücke steht er dann folgerichtig einsam in der Kälte… Warum auch inhaltlich über Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen oder den unausweichlichen Weg der EU in eine Transferunion berichten, wen interessiert das schon?

Was hat das noch mit Journalismus zu tun? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Nur – diese Medien braucht kein Mensch.

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Update: Bei fdik aufgeschnappt: Journalismus kann man aber auch gleich ganz weglassen. Und es kommt endlich auch Varoufakis Schwieger-VATER zu Wort, blöd! sei Dank. Hör auf deine Familie, Yanis. Bleib bloß auf Linie und unterschreib, was die Dir vorlegen!!1